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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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δ’ αργεννησι καλυψαμενη οϑονησιν
    Ωρματ’ εκ ϑαλαμοιο – –
    aber, um über die Straßen damit zu gehen; und wenn auch schon bei ihm die Alten ihre Bewunderung zeigen, noch ehe sie den Schleier wieder abgenommen oder zurückgeworfen zu haben scheinet, so war es nicht das erstemal, daß sie die Alten sahen; ihr Bekenntnis durfte also nicht aus dem itzigen augenblicklichen Anschauen entstehen, sondern sie konnten schon oft empfunden haben, was sie zu empfinden, bei dieser Gelegenheit nur zum erstenmal bekannten. In dem Gemälde findet so etwas nicht Statt. Wenn ich hier entzückte Alte sehe, so will ich auch zugleich sehen, was sie in Entzückung setzt; und ich werde äußerst betroffen, wenn ich weiter nichts, als, wie gesagt, eine vermummte, verschleierte Figur wahrnehme, die sie brünstig angaffen. Was hat dieses Ding von der Helena? Ihren weißen Schleier, und etwas von ihrem proportionierten Umrisse, so weit Umriß unter Gewändern sichtbar werden kann. Doch vielleicht war es auch des Grafen Meinung nicht daß ihr Gesicht verdeckt sein sollte, und er nennet den Schleier bloß als ein Stück ihres Anzuges. Ist dieses (seine Worte sind einer solchen Auslegung zwar nicht wohl fähig: Helene couverte d’un voile blanc) so entstehet eine andere Verwunderung bei mir: er empfiehlt dem Artisten so sorgfältig den Ausdruck auf den Gesichtern der Alten; nur über die Schönheit in dem Gesichte der Helena verliert er kein Wort. Diese sittsame Schönheit, im Auge den feuchten Schimmer einer reuenden Träne, furchtsam sich nähernd – Wie? Ist die höchste Schönheit unsern Künstlern so etwas geläufiges, daß sie auch nicht daran erinnert zu werden brauchen? Oder ist Ausdruck mehr als Schönheit? Und sind wir auch in Gemälden schon gewohnt, so wie auf der Bühne, die häßlichste Schauspielerin für eine entzückende Prinzessin gelten zu lassen, wenn ihr Prinz nur recht warme Liebe gegen sie zu empfinden äußert?
    In Wahrheit; das Gemälde des Caylus würde sich gegen das Gemälde des Zeuxis, wie Pantomime zur erhabensten Poesie verhalten.
    Homer ward vor Alters ohnstreitig fleißiger gelesen, als itzt. Dennoch findet man so gar vieler Gemälde nicht erwähnet, welche die alten Künstler aus ihm gezogen hätten. (137) Nur den Fingerzeig des Dichters auf besondere körperliche Schönheiten, scheinen sie fleißig genutzt zu haben; diese malten sie; und in diesen Gegenständen, fühlten sie wohl, war es ihnen allein vergönnet, mit dem Dichter wetteifern zu wollen. Außer der Helena, hatte Zeuxis auch die Penelope gemalt; und des Apelles Diana war die Homerische in Begleitung ihrer Nymphen. Bei dieser Gelegenheit will ich erinnern, daß die Stelle des Plinius, in welcher von der letztern die Rede ist, einer Verbesserung bedarf. (138) Handlungen aber aus dem Homer zu malen, bloß weil sie eine reiche Komposition, vorzügliche Kontraste, künstliche Beleuchtungen darbieten, schien der alten Artisten ihr Geschmack nicht zu sein; und konnte es nicht sein, so lange sich noch die Kunst in den engern Grenzen ihrer höchsten Bestimmung hielt. Sie nährten sich dafür mit dem Geiste des Dichters; sie füllten ihre Einbildungskraft mit seinen erhabensten Zügen; das Feuer seines Enthusiasmus entflammte den ihrigen; sie sahen und empfanden wie er: und so wurden ihre Werke Abdrücke der Homerischen, nicht in dem Verhältnisse eines Portraits zu seinem Originale, sondern in dem Verhältnisse eines Sohnes zu seinem Vater; ähnlich aber verschieden. Die Ähnlichkeit liegt öfters nur in einem einzigen Zuge; die übrigen alle haben unter sich nichts gleiches, als daß sie mit dem ähnlichen Zuge, in dem einen sowohl als in dem andern harmonieren.
    Da übrigens die Homerischen Meisterstücke der Poesie älter waren, als irgend ein Meisterstück der Kunst; da Homer die Natur eher mit einem malerischen Auge betrachtet hatte, als ein Phidias und Apelles: so ist es nicht zu verwundern, daß die Artisten verschiedene ihnen besonders nützliche Bemerkungen, ehe sie Zeit hatten, sie in der Natur selbst zu machen, schon bei dem Homer gemacht fanden, wo sie dieselben begierig ergriffen, um durch den Homer die Natur nachzuahmen. Phidias bekannte, daß die Zeilen: (139)
    Η, και κυανεησιν επ’ οφρυσι νευσε Κρονιων
    Αμβροσιαι δ’ αρα χαιται επερρώσαντο ανακτος,
    Κρατος απ’ αϑανατοιο μεγαν δ’ ελελιξεν

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