Werke
Ολυμπον
ihm bei seinem Olympischen Jupiter zum Vorbilde gedienet, und daß ihm nur durch ihre Hülfe ein göttliches Antlitz, propemodum ex ipso coelo petitum, gelungen sei. Wem dieses nichts mehr gesagt heißt, als daß die Phantasie des Künstlers durch das erhabene Bild des Dichters befeuert, und eben so erhabener Vorstellungen fähig gemacht worden, der, dünkt mich, übersieht das Wesentlichste, und begnügt sich mit etwas ganz allgemeinem, wo sich, zu einer weit gründlichern Befriedigung, etwas sehr spezielles angeben läßt. So viel ich urteile, bekannte Phidias zugleich, daß er in dieser Stelle zuerst bemerkt habe, wie viel Ausdruck in den Augenbraunen liege, quanta pars animi (140) sich in ihnen zeige. Vielleicht, daß sie ihn auch auf das Haar mehr Fleiß zu wenden bewegte, um das einigermaßen auszudrücken, was Homer ambrosisches Haar nennet. Denn es ist gewiß, daß die alten Künstler vor dem Phidias das Sprechende und Bedeutende der Mienen wenig verstanden, und besonders das Haar sehr vernachlässiget hatten. Noch Myron war in beiden Stücken tadelhaft, wie Plinius anmerkt, (141) und nach eben demselben, war Pythagoras Leontinus der erste, der sich durch ein zierliches Haar hervortat. (142) Was Phidias aus dem Homer lernte, lernten die andern Künstler aus den Werken des Phidias.
Ich will noch ein Beispiel dieser Art anführen, welches mich allezeit sehr vergnügt hat. Man erinnere sich, was Hogarth über den Apollo zu Belvedere anmerkt. (143) »Dieser Apollo, sagt er, und der Antinous sind beide in eben demselben Palaste zu Rom zu sehen. Wenn aber Antinous den Zuschauer mit Verwunderung erfüllet, so setzet ihn der Apollo in Erstaunen; und zwar, wie sich die Reisenden ausdrücken, durch einen Anblick, welcher etwas mehr als menschliches zeiget, welches sie gemeiniglich gar nicht zu beschreiben im Stande sind. Und diese Wirkung ist, sagen sie, um desto bewunderswürdiger, da, wenn man es untersucht, das Unproportionierliche daran auch einem gemeinen Auge klar ist. Einer der besten Bildhauer, welche wir in England haben, der neulich dahin reisete, diese Bildsäule zu sehen, bekräftigte mir das, was itzo gesagt worden, besonders, daß die Füße und Schenkel, in Ansehung der obern Teile, zu lang und zu breit sind. Und Andreas Sacchi, einer der größten italiänischen Maler, scheinet eben dieser Meinung gewesen zu sein, sonst würde er schwerlich (in einem berühmten Gemälde, welches itzo in England ist) seinem Apollo, wie er den Tonkünstler Pasquilini krönet, das völlige Verhältnis des Antinous gegeben haben, da er übrigens wirklich eine Kopie von dem Apollo zu sein scheinet. Ob wir gleich an sehr großen Werken oft sehen, daß ein geringerer Teil aus der Acht gelassen worden, so kann dieses doch hier der Fall nicht sein. Denn an einer schönen Bildsäule ist ein richtiges Verhältnis eine von ihren wesentlichen Schönheiten. Daher ist zu schließen, daß diese Glieder mit Fleiß müssen sein verlängert worden, sonst würde es leicht haben können vermieden werden. Wenn wir also die Schönheiten dieser Figur durch und durch untersuchen, so werden wir mit Grunde urteilen, daß das, was man bisher für unbeschreiblich vortrefflich an ihrem allgemeinen Anblicke gehalten, von dem hergerühret hat, was ein Fehler in einem Teile derselben zu sein geschienen.« – Alles dieses ist sehr einleuchtend; und schon Homer, füge ich hinzu, hat es empfunden und angedeutet, daß es ein erhabenes Ansehen gibt, welches bloß aus diesem Zusatze von Größe in den Abmessungen der Füße und Schenkel entspringet. Denn wenn Antenor die Gestalt des Ulysses mit der Gestalt des Menelaus vergleichen will, so läßt er ihn sagen: (144)
Σταντων μεν, Μενελαος ύπειρεχεν ευρεας ωμους,
Αμφω δ’ εζομενω, γεραρωτερος ηεν Οδυσσευς.
»Wann beide standen, ragte Menelaus mit den breiten Schultern hoch hervor; wann aber beide saßen, war Ulysses der ansehnlichere.« Da Ulysses also das Ansehen im Sitzen gewann, welches Menelaus im Sitzen verlor, so ist das Verhältnis leicht zu bestimmen, welches beider Oberleib zu den Füßen und Schenkeln gehabt. Ulysses hatte einen Zusatz von Größe in den Proportionen des erstern, Menelaus in den Proportionen der letztern.
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XXIII
Ein einziger unschicklicher Teil kann die übereinstimmende Wirkung vieler zur Schönheit stören. Doch wird der Gegenstand darum noch nicht häßlich. Auch die
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