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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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zugezogen haben, als es beiden zuträglich ist. Was ihre Künstler getan, wird mich lehren, was die Künstler überhaupt tun sollen; und wo so ein Mann die Fackel der Geschichte vorträgt, kann die Spekulation kühnlich nachtreten.
    Man pfleget in einem wichtigen Werke zu blättern, ehe man es ernstlich zu lesen anfängt. Meine Neugierde war, vor allen Dingen des Verfassers Meinung von dem Laokoon zu wissen; nicht zwar von der Kunst des Werkes, über welche er sich schon anderwärts erkläret hat, als nur von dem Alter desselben. Wem tritt er darüber bei? Denen, welchen Virgil die Gruppe vor Augen gehabt zu haben scheinet? Oder denen, welche die Künstler dem Dichter nacharbeiten lassen?
    Es ist sehr nach meinem Geschmacke, daß er von einer gegenseitigen Nachahmung gänzlich schweiget. Wo ist die absolute Notwendigkeit derselben? Es ist gar nicht unmöglich, daß die Ähnlichkeiten, die ich oben zwischen dem poetischen Gemälde und dem Kunstwerke in Erwägung gezogen habe, zufällige und nicht vorsetzliche Ähnlichkeiten sind; und daß das eine so wenig das Vorbild des andern gewesen, daß sie auch nicht einmal beide einerlei Vorbild gehabt zu haben brauchen. Hätte indes auch ihn ein Schein dieser Nachahmung geblendet, so würde er sich für die erstern haben erklären müssen. Denn er nimmt an, daß der Laokoon aus den Zeiten sei, da sich die Kunst unter den Griechen auf dem höchsten Gipfel ihrer Vollkommenheit befunden habe; aus den Zeiten Alexanders des Großen.
    »Das gütige Schicksal, sagt er, (166) welches auch über die Künste bei ihrer Vertilgung noch gewachet, hat aller Welt zum Wunder ein Werk aus dieser Zeit der Kunst erhalten, zum Beweise von der Wahrheit der Geschichte von der Herrlichkeit so vieler vernichteten Meisterstücke. Laokoon, nebst seinen beiden Söhnen, vom Agesander, Apollodorus (167) und Athenodorus aus Rhodus gearbeitet, ist nach aller Wahrscheinlichkeit aus dieser Zeit, ob man gleich dieselbe nicht bestimmen, und wie einige getan haben, die Olympias, in welcher diese Künstler geblühet haben, angeben kann.«
    In einer Anmerkung setzet er hinzu: »Plinius meldet kein Wort von der Zeit, in welcher Agesander und die Gehülfen an seinem Werke gelebet haben; Maffei aber, in der Erklärung alter Statuen, hat wissen wollen, daß diese Künstler in der acht und achtzigsten Olympias geblühet haben, und auf dessen Wort haben andere, als Richardson, nachgeschrieben. Jener hat, wie ich glaube, einen Athenodorus unter des Polycletus Schülern, für einen von unsern Künstlern genommen, und da Polycletus in der sieben und achtzigsten Olympias geblühet, so hat man seinen vermeinten Schüler eine Olympias später gesetzet: andere Gründe kann Maffei nicht haben.«
    Er konnte ganz gewiß keine andere haben. Aber warum läßt es Herr Winckelmann dabei bewenden, diesen vermeinten Grund des Maffei bloß anzuführen? Widerlegt er sich von sich selbst? Nicht so ganz. Denn wenn er auch schon von keinen andern Gründen unterstützt ist, so macht er doch schon für sich selbst eine kleine Wahrscheinlichkeit, wo man nicht sonst zeigen kann, daß Athenodorus, des Polyklets Schüler, und Athenodorus der Gehülfe des Agesander und Polydorus, unmöglich eine und eben dieselbe Person können gewesen sein. Zum Glücke läßt sich dieses zeigen, und zwar aus ihrem verschiedenen Vaterlande. Der erste Athenodorus war, nach dem ausdrücklichen Zeugnisse des Pausanias, (168) aus Klitor in Arkadien; der andere hingegen, nach dem Zeugnisse des Plinius, aus Rhodus gebürtig.
    Herr Winckelmann kann keine Absicht dabei gehabt haben, daß er das Vorgeben des Maffei, durch Beifügung dieses Umstandes, nicht unwidersprechlich widerlegen wollen. Vielmehr müssen ihm die Gründe, die er aus der Kunst des Werks, nach seiner unstreitigen Kenntnis, ziehet, von solcher Wichtigkeit geschienen haben, daß er sich unbekümmert gelassen, ob die Meinung des Maffei noch einige Wahrscheinlichkeit behalte oder nicht. Er erkennet, ohne Zweifel, in dem Laokoon zu viele von den argutiis, (169) die dem Lysippus so eigen waren, mit welchen dieser Meister die Kunst zuerst bereicherte, als daß er ihn für ein Werk vor desselben Zeit halten sollte.
    Allein, wenn es erwiesen ist, daß der Laokoon nicht älter sein kann, als Lysippus, ist dadurch auch zugleich erwiesen, daß er ungefähr aus seiner Zeit sein müsse? daß er unmöglich ein weit späteres Werk sein könne? Damit ich die Zeiten, in welchen die Kunst in Griechenland, bis zum Anfange

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