Werke
fallend, mich tief. Es war mir, als könne jenes Buch mir manchen Aufschluß geben. Ich nahm es mit mir, ich fing an zu lesen, die wunderbare Geschichte riß mich hin, aber als der erste Mord geschehen, als immer verruchter der gräßliche Mönch frevelt, als er endlich ins Bündnis tritt mit dem Bösen, da ergriff mich namenloses Entsetzen, denn ich gedachte jener Worte Hermogens: »Die Mutter spricht mit dem Teufel!« Nun glaubte ich, so wie jener Mönch im Roman, sei der Unbekannte ein dem Bösen Verkaufter, der mich verlocken wolle. Und doch konnte ich nicht gebieten der Liebe zu dem Mönch, der in mir lebte. Nun erst wußte ich, daß es frevelhafte Liebe gebe, mein Abscheu dagegen kämpfte mit dem Gefühl, das meine Brust erfüllte, und dieser Kampf machte mich auf eigne Weise reizbar. Oft bemeisterte sich meiner in der Nähe eines Mannes ein unheimliches Gefühl, weil es mir plötzlich war, als sei es der Mönch, der nun mich erfassen und fortreißen werde ins Verderben. Reinhold kam von einer Reise zurück und erzählte viel von einem Kapuziner Medardus, der als Kanzelredner weit und breit berühmt sei und den er selbst in ...r mit Verwunderung gehört habe. Ich dachte an den Mönch im Roman, und es überfiel mich eine seltsame Ahnung, daß das geliebte und gefürchtete Traumbild jener Medardus sein könne. Der Gedanke war mir schrecklich, selbst wußte ich nicht, warum, und mein Zustand wurde in der Tat peinlicher und verstörter, als ich es zu ertragen vermochte. Ich schwamm in einem Meer von Ahnungen und Träumen. Aber vergebens suchte ich das Bild des Mönchs aus meinem Innern zu verbannen; ich unglückliches Kind konnte nicht widerstehen der sündigen Liebe zu dem Gottgeweihten. – Ein Geistlicher besuchte einst, wie er es wohl manchmal zu tun pflegte, den Vater. Er ließ sich weitläuftig über die mannigfachen Versuchungen des Teufels aus, und mancher Funke fiel in meine Seele, indem der Geistliche den trostlosen Zustand des jungen Gemüts beschrieb, in das sich der Böse den Weg bahnen wolle und worin er nur schwaches Widerstreben fände. Mein Vater fügte manches hinzu, als ob er von mir rede. Nur unbegrenzte Zuversicht, sagte endlich der Geistliche, nur unwandelbares Vertrauen, nicht sowohl zu befreundeten Menschen, als zur Religion und ihren Dienern, könne Rettung bringen. Dies merkwürdige Gespräch bestimmte mich, den Trost der Kirche zu suchen und meine Brust durch reuiges Geständnis in heiliger Beichte zu erleichtern. Am frühen Morgen des andern Tages wollte ich, da wir uns eben in der Residenz befanden, in die dicht neben unserm Hause gelegene Klosterkirche gehen. Es war eine qualvolle, entsetzliche Nacht, die ich zu überstehen hatte. Abscheuliche, frevelige Bilder, wie ich sie nie gesehen, nie gedacht, umgaukelten mich, aber dann mitten drunter stand der Mönch da, mir die Hand wie zur Rettung bietend, und rief: »Sprich es nur aus, daß du mich liebst, und frei bist du aller Not.« Da mußt’ ich unwillkürlich rufen: »Ja Medardus, ich liebe dich!« – und verschwunden waren die Geister der Hölle! Endlich stand ich auf, kleidete mich an und ging nach der Klosterkirche.
Das Morgenlicht brach eben in farbigen Strahlen durch die bunten Fenster, ein Laienbruder reinigte die Gänge. Unfern der Seitenpforte, wo ich hineingetreten, stand ein der heiligen Rosalia geweihter Altar, dort hielt ich ein kurzes Gebet und schritt dann auf den Beichtstuhl zu, in dem ich einen Mönch erblickte. Hilf, heiliger Himmel! – es war Medardus! Kein Zweifel blieb übrig, eine höhere Macht sagte es mir. Da ergriff mich wahnsinnige Angst und Liebe, aber ich fühlte, daß nur standhafter Mut mich retten könne. Ich beichtete ihm selbst meine sündliche Liebe zu dem Gottgeweihten, ja mehr als das! ... Ewiger Gott! in dem Augenblicke war es mir, als hätte ich schon oft in trostloser Verzweiflung den heiligen Banden, die den Geliebten fesselten, geflucht, und auch das beichtete ich. »Du selbst, du selbst, Medardus, bist es, den ich so unaussprechlich liebe.« Das waren die letzten Worte, die ich zu sprechen vermochte, aber nun floß lindernder Trost der Kirche, wie des Himmels Balsam, von den Lippen des Mönchs, der mir plötzlich nicht mehr Medardus schien. Bald darauf nahm mich ein alter ehrwürdiger Pilger in seine Arme und führte mich langsamen Schrittes durch die Gänge der Kirche zur Hauptpforte hinaus. Er sprach hochheilige, herrliche Worte, aber ich mußte entschlummern wie ein unter sanften, süßen
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