Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
Vom Netzwerk:
Dilettanten, der für die Kunst ein tiefes Verständnis besaß und sie außerordentlich liebte. Sie gingen zusammen und sprachen über den neuangekommenen Künstler, als B... plötzlich an einer Straßenecke meinen Vater erblickte, der vor einem Schaufenster stand und unverwandt einen dort ausliegenden Zettel ansah, auf dem in großen Buchstaben S...zs Konzert angezeigt war.
    „Sehen Sie diesen Menschen?“ sagte B..., auf meinen Vater weisend.
    „Wer ist es?“ fragte der Fürst.
    „Sie haben schon von ihm gehört. Es ist eben jener Jefimow, von dem ich Ihnen mehrmals gesprochen habe, und dem Sie sogar einmal Ihre Protektion zuteil werden ließen.“
    „Ah, das ist interessant!“ erwiderte der Fürst. „Sie haben mir viel von ihm gesagt. Er soll ja ein sehr merkwürdiger Mensch sein. Ich würde ihn gern einmal spielen hören.“
    „Es lohnt sich nicht der Mühe“, antwortete B..., „und es hat auch etwas sehr Peinliches. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht; aber mir tut immer das Herz weh, wenn ich mit ihm zu tun habe. Sein Leben ist eine furchtbare, widerwärtige Tragödie. Ich habe tiefes Mitleid mit ihm, und wie verkommen er auch ist, so ist meine Teilnahme für ihn doch noch nicht erloschen. Sie sagen, Fürst, er müsse ein interessanter Mensch sein. Das ist richtig; aber er macht einen gar zu peinlichen Eindruck. Erstens ist er verrückt; und zweitens lasten auf diesem Verrückten drei Verbrechen, da er außer sich noch zwei Wesen zugrunde gerichtet hat: seine Frau und seine Tochter. Ich kenne ihn: er würde auf der Stelle sterben, wenn er sich seiner Verbrechen bewußt würde. Aber das Schreckliche liegt eben darin, daß er sich schon seit acht Jahren ihrer beinah bewußt ist und acht Jahre lang mit seinem Gewissen ringt, um sich ihrer nicht beinah, sondern völlig bewußt zu werden.“
    „Sie sagten, er sei arm?“ fragte der Fürst.
    „Ja; aber die Armut ist jetzt für ihn beinah ein Glück, weil er sie als Ausrede benutzen kann. Er kann jetzt einem jeden gegenüber behaupten, nur die Armut hindere ihn, und wenn er reich wäre, so würde er Zeit haben und keine Sorgen, und dann würde man sofort sehen, was er für ein Künstler sei. Er hat sich in der sonderbaren Hoffnung verheiratet, die tausend Rubel, die seine Frau besaß, würden ihm auf die Beine helfen. Er hat wie ein Phantast gehandelt, wie ein Dichter, und so hat er es in seinem Leben stets gemacht. Wissen Sie, was er diese ganzen acht Jahre lang ununterbrochen behauptet hat? Er behauptet, an seiner Armut sei seine Frau schuld; seine Frau sei es, die ihn hindere. Er hat die Hände in den Schoß gelegt und will nicht arbeiten. Aber nehmen Sie ihm diese Frau, und er wird der unglücklichste Mensch auf der Welt sein. Es ist jetzt schon mehrere Jahre her, daß er die Geige nicht mehr in die Hand genommen hat; wissen Sie, warum? Weil er jedesmal, wenn er den Bogen in die Hand nimmt, sich selbst innerlich eingestehen muß, daß er ein Nichts ist, eine Null, aber kein Künstler. Jetzt aber, wo der Bogen ruhig daliegt, hat er wenigstens eine entfernte Hoffnung, daß das nicht wahr sei. Er ist ein Träumer; er meint, er werde plötzlich durch irgendein Wunder auf einen Schlag der berühmteste Mensch in der Welt werden. Sein Wahlspruch ist: aut Caesar aut nihil, als ob man so ohne weiteres, plötzlich, in einem Augenblicke ein Cäsar werden könnte. Er dürstet nach Ruhm. Aber wenn eine Begierde die hauptsächlichste, die einzige Triebfeder des Künstlers wird, dann ist dieser Künstler kein Künstler mehr, weil er bereits den eigentlichen künstlerischen Naturtrieb verloren hat, das heißt die Liebe zur Kunst, einzig und allein weil sie die Kunst ist, und nicht weil sie zu etwas anderem zum Beispiel zu Ruhm, verhilft. Nehmen Sie dagegen diesen S...z: sobald er den Bogen in die Hand nimmt, existiert für ihn in der Welt nichts als seine Musik. Nach der Musik kommt für ihn das Geld und erst an dritter Stelle, wie es scheint, der Ruhm. Aber um den hat er sich wenig Sorge gemacht ... Wissen Sie, was jetzt diesen Unglücklichen beschäftigt?“ fügte B..., auf Jefimow weisend, hinzu. „Ihn beschäftigt die dümmste, nichtigste, kläglichste, lächerlichste Sorge von der Welt, nämlich die Frage, ob er über S...z stehe oder S...z über ihm, weiter nichts; denn er ist trotz allem davon überzeugt, daß er der erste Musiker in der ganzen Welt ist. Überzeugen Sie ihn, daß er kein Künstler ist, und ich versichere Sie: er wird auf der Stelle wie vom

Weitere Kostenlose Bücher