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Whitley Strieber

Whitley Strieber

Titel: Whitley Strieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Kuss des Vampirs
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Der Lehrplan des Colleges war gespickt gewesen mit hochgeistiger Literatur, ange- fangen von Homer bis hin zu Freud und Einstein. Er hatte die Ilias und die Odyssee gelesen, unter einem gewissen Professor Klein, dem von den Nazis die Finger gebrochen worden waren, weil er besser Klavier gespielt hatte als ein Arier. Eines Abends hatte er, obwohl es höllisch wehtat, für seine Studenten Debussy, Chopin und Satie zum Besten gegeben ... Die Aufführung war hervorragend gewesen, was Paul aber nicht davon abgehalten hatte, sein Studium an den Nagel zu hängen. Paul war am College der einzige Student gewesen, der sich für den Vietnamkrieg ausgesprochen hatte und dumm genug gewesen war, ein diesbezügliches Pamphlet an das Schwarze Brett zu hängen. Als Resultat hatte ihn wenig später die CIA rekrutiert, und damit hatte sein heutiges Leben begonnen. Der alte George Hauser, Gott habe ihn se- lig, hatte mit ihm auf der Parkbank dort unter der großen Eiche geses- sen und ihm dargelegt, was es bedeutete, Geheimagent zu sein, wie schwierig es war und wie enttäuschend es oft sein konnte ... und wie wichtig er diese Aufgabe dennoch fand.
    Er ging auf die Backsteinfassade der McDowell-Hall zu, das Verwal- tungsgebäude, in dessen großem Saal die Chorproben stattgefunden hatten. Die jungen Stimmen waren wieder da, riefen ihm durch die Stille zu, die ihm beim Betreten des Gebäudes entgegenschlug. Im

Untergeschoss gab es das Studentencafé, und dort hing das Schwarze Brett, das sein Leben in völlig neue Bahnen gelenkt hatte. Hier und dort waren Leute, aber alles in allem war der Campus im Sommer ziemlich verlassen. Er durchquerte das Untergeschoss und trat auf den kleinen viereckigen Platz hinaus. Dort drüben war die Ran- dall Hall, das Studentenheim, in dem er gewohnt hatte. Obwohl er Erstsemester war, hatte man ihm sofort ein Einzelzimmer gegeben, vor allem weil keiner mit jemandem zusammen wohnen wollte, der einen solchen Bewerbungsaufsatz verfasst hatte. Er hatte über den Heiligen Thomas von Aquin und dessen Summa Theologica geschrieben. Damals war er ein glühender Katholik gewe- sen. Wie lange dies doch her war, die Tage jenes dürren Studenten mit dem kurz geschorenen Haar und der strengen Hornbrille. Er fragte sich, weshalb er hierher gekommen war. Weil er im Begriff stand zu sterben und es im Innern längst spürte? Er wusste von zahl- losen Agenten, die während eines Dienstverfahrens gegen sie zu Tode gekommen waren. Ich werde nicht ins Gefängnis gehen , sagte er sich, während seine Augen die Fenster zu seinem alten Zimmer abzählten. Wie klein ihm die Randall Hall heute vorkam. Er erinnerte sich an sie als riesiges Gebäude. Wenn man sie hingegen heute sah, schien es, als könnte man darüber hinwegspringen. Ein Vampir konnte es wahr- scheinlich, zumindest fast.
    Ein Wahnsinns-Stipendium, der Stephen-Piper-Preis für Schulische Höchstleistungen, hatte ihm den Zugang zu diesem College ermög- licht. Keinen müden Cent hatte er für sein Studium zahlen müssen. Wie soll ich Vampire zur Strecke bringen, wenn ich nun ganz auf mich allein gestellt bin, fragte er sich. Soll ich es wagen, meine Leute zusammenzutrommeln? Nein, man würde sie bei der Einreise verhaf- ten.
    Er würde Becky Bescheid geben, dass sie nicht heimkehren sollte – dazu musste er in die College-Bibliothek und sehen, ob er einen öf- fentlichen Computer fand. Er würde ihr eine E-mail schicken und dabei eines der selbst erdachten Codeworte seines Teams verwenden. So konnte sie die Kollegen in Kuala Lumpur warnen. Er ging zur Biblio- thek. Die Türen standen weit offen, aber, typisch St. John's, weit und breit war kein einziger Angestellter in Sicht.
    Er schaltete den Computer hinter dem Tresen des Bibliothekars ein. Natürlich brauchte man kein Passwort. St. John's war immer noch St. John's. Nicht dass man hier besonders vertrauensselig war. Nein, man

hatte es hier eben nicht so mit den Details. Ob es das beste College in den Vereinigten Staaten war? Mitnichten, aber es war gewiss das in- tellektuell gesündeste.
    Er öffnete Outlook Express und loggte sich in deren Server ein. Einer der Codes, die zu benutzen er nie erwartet hatte, lautete »Saure-Gurken-Express«. Es bedeutete, dass das Undenkbare ge- schehen war, dass die CIA sich gegen die Operation gewandt hatte und alle Beteiligten augenblicklich untertauchen mussten, wo immer sie sich gerade aufhalten mochten.
    Wenn sie die Nachricht erhielt, würde sie sofort von der Bildfläche

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