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Wie die Tiere

Wie die Tiere

Titel: Wie die Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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stehen geblieben. Und sie hat so blöd gegrinst, wie man überhaupt nur in diesem Alter grinsen kann, später verlernt man das ja wieder, und sie hat sich in aller Ruhe angeschaut, wie die Rentnertruppe mit den Kälbern den Brenner umstellt und die Polizei ruft. Und da darf man den Eliterentnern gar nicht böse sein. Weil natürlich, der Mann, der auf und davon gelaufen ist, in dem Moment, wo vor dem Kinderschwimmbad der Pudel zu röcheln angefangen hat, das ist der Brenner gewesen.
    «Nicht bewegen!»
    War das jetzt der bierbäuchige Rentner, der versucht hat, sein Kampfkalb zurückzuhalten, oder war es die Amtsärztin, die versucht hat, dem Brenner eine schöne Naht zu machen. Unter uns gesagt, es war natürlich der fette Polizeiarzt. An und für sich war das ein geduldiger Näher, und der hat auch begriffen, dass der Brenner nicht ihn meint, wie der da die ganze Zeit geschrien hat: «Hau ab! Hau ab!» Aber das Gezappel beim Nähen, das hat er einfach nicht vertragen können.
    Im Leben gibt es ja zwei Situationen, wo man sich möglichst nicht zu schnell bewegen soll. Wenn man genäht wird, und wenn man einem schlecht gelaunten Pitbull gegenübersteht. Aber so ein Pech musst du einmal haben, dass du in beiden Situationen gleichzeitig bist. Da wäre es natürlich doppelt wichtig, dass du ruhig hältst.
    Und der Brenner hat es genau falsch gemacht. Beim Nähen geht es vielleicht noch irgendwie, wenn es ein geschickter Arzt ist. Aber beim Pitbull natürlich. Der hat dann gar keine Wahl, weil die Instinkte. Beim Pitbull ist das eine eiserne Regel: Nie zu schnell bewegen! An und für sich ist das für Wien ein guter Hund, und es gibt auf der ganzen Welt keine Großstadt mit so wenig Pitbullbissen. Aber der Brenner hat es eben wissen wollen, und der Hund hat es dann eben auch wissen wollen, sprich Wade.
    «Nicht bewegen!»
    Vielleicht hat er sich da einfach schon zu sehr in Sicherheit gefühlt, weil er das Polizeiauto kommen gesehen hat. Die sind mit Blaulicht in den Augarten gerauscht, da waren monatelang in Fatima die Betten ausgebucht, so viele Augarten-Eltern sind dann hinuntergepilgert aus Dank, dass ihr Kind nicht unter das wild gewordene Polizeiauto gekommen ist.
    Und der Brenner hat auch wahnsinnig Glück gehabt, dass seine Wade wenigstens im Prinzip noch dran geblieben ist. Du musst wissen, er hat früher, Jimi-Hendrix-Zeit, immer diese engen Jeans getragen. Das war eben damals so die Mode, manche haben davon Hodenkrebs gekriegt, aber beim Brenner war es jetzt von Vorteil, weil das presst dir im Lauf der Jahre die Wade derart an den Knochen, und wenn dich dann der Pitbull zwickt, hat die Wade höhere Überlebenschancen.
    «Nicht bewegen!»
    Dann der Brenner natürlich erst recht hektische Bewegungen, wenn du einmal falsch angefangen hast, kommst du da oft gar nicht mehr heraus, da reiht sich ein falscher Schritt an den nächsten. Das ist man ja vom menschlichen Leben her auch ein bisschen gewohnt, da rächt sich ein winziger Fehler auch dein ganzes Leben lang. Und beim Pitbull ist das genauso, statt langsamer bewegst du dich nach dem ersten Biss immer noch schneller. Der Brenner dürfte sich in seinem Leben überhaupt noch nie so schnell bewegt haben. Da hat natürlich auch die Erinnerung an die Manu Prodinger eine gewisse Rolle gespielt, dass er es derart mit der Todesangst zu tun gekriegt hat
    «Nicht bewegen!»
    Die Rentner haben geschrien, die Polizisten haben geschrien, sogar die Mali hat jetzt geschrien.
    Aber beim Stich hat der Brenner wieder bemerkt, dass es nur die Amtsärztin war, die ihn angeschrien hat, mein lieber Schwan, da ist ihm vielleicht ein Stein vom Herzen gefallen, nur ihren schwitzenden fetten Kopf hat er sich nicht erklären können, wo die doch immer so ein schmales Gesicht wie seine Großmutter gehabt hat.
    Du wirst dich fragen, was haben eigentlich die Polizisten gemacht, wie der Hund auf den Brenner losgegangen ist. Da muss ich sagen, vollkommen korrekt. Sicher, am Anfang haben sie vielleicht das Schauspiel ein bisschen genossen, das gebe ich schon zu. Aber dann. Mit einem gezielten Schuss. Der hat den Brenner nicht einmal gestreift, und der Hund hat sich nicht mehr gerührt.
    «Das ist nämlich so, dass sich ein Pitbull, der im Kampf erschossen wird, nur umso fester in sein Opfer verbeißt», hat die schnaufende Amtsärztin ihm jetzt erklärt Das hat der Brenner wieder ganz genau mitgekriegt. Ich liege in der Polizeiwachstube, mein Hundebiss wird genäht, und dazu erhalte ich die

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