Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
nicht mit der Schuld leben, nicht nur getan zu haben, was er getan hatte, sondern es auch noch so sehr genossen zu haben.
Aber keine Macht im Himmel und auf Erden hätte ihn damals dazu zwingen können, sie in Ruhe zu lassen. Er hatte begonnen, sich langsam zu bewegen, sich ihres Körpers, der starr vor Schock war, bewusst. Aber bald hatte sie sich entspannt, und es wurde leichter. Er hatte gestoßen und geschoben, bis der Damm in ihm mit größerer Wucht als je zuvor geborsten war.
Danach fühlte er sich schwach und leer. Aber wenn er sich jetzt daran erinnerte, wollte er die Erfahrung dieses kleinen Todes noch einmal machen. Am ganzen Körper brach ihm Schweiß aus. Er biss die Zähne aufeinander, um diese Begierde, die ihn durchfloss und sich schmerzlich in den Lenden sammelte, zu beherrschen.
Schließlich stieß er sie beiseite und drehte ihr den Rücken zu. Er atmete tief durch, aber das nutzte nicht viel. Er zitterte, als hätte er Schüttelfrost. Mit einem raschen Blick über die Schulter gewann er nur einen verschwommenen Eindruck ihres blassen Gesichtes – großer Gott, wahrscheinlich hatte sie jetzt Angst vor ihm! Er rannte zur Tür hinaus und rief ihr noch zu: »Heute Nachmittag fahre ich in die Stadt, um Vorräte zu kaufen. Warte nicht mit dem Essen auf mich.«
Sie saß auf einem Ast und blickte durch die belaubten Zweige des Pekanbaumes zum Himmel empor. Sie war immer sehr gut darin gewesen, auf Bäume zu klettern. Weil sie Lee und Micah ausstechen wollte, hatte sie ihre Schienbeine an harter Baumrinde öfter aufgeschürft, als sie zählen konnte. Ihre Neigung, so hoch wie möglich hinaufzuklettern, um zwischen Himmel und Erde Trost zu suchen, hatte sie noch nicht abgelegt. Dort oben konnte sie klar denken, als könnten die Probleme, die dem Boden verhaftet waren, sie nicht länger erreichen.
Der Nachmittag war im Schneckentempo vorübergegangen. Das Haus war so eng gewesen, dass sie es nicht ertragen konnte. Sie war niedergeschlagen, bestürzt und verwirrt. All ihre Probleme kreisten um eine Quelle.
Jake Langston. Was sollte sie wegen Jake unternehmen?
Er war ein wichtiges Thema in ihrem Leben, daran kam sie nicht vorbei. Jene Nacht in der Scheune hatte es gegeben. Zu wünschen, das wäre nicht der Fall, oder es zu bedauern war fruchtlos. Ihre Beziehung zu Jake hatte sich dadurch für immer verändert. Es gab kein Zurück. Mit diesen Tatsachen hatte sie sich abgefunden.
Womit sie sich nicht abfinden konnte, war ihre Situation in der Gegenwart. Jake und sie konnten nicht einfach so weiterleben wie bisher, wie zwei ausgehungerte Aasfresser, die um einen Kadaver kämpften. Sie waren beide zu stur, zu halsstarrig, zu temperamentvoll und zu schuldbewusst wegen jener Nacht, um zu bleiben, wie sie waren, ohne einander zu zerstören. Und mit ihnen würde Plum Creek zugrunde gehen.
Denn sie würde ihre Ranch Plum Creek nennen, ob er wollte oder nicht!
Beinahe lächelte sie. In Gedanken stritt sie oft mit ihm, selbst wenn er nicht in der Nähe war. Aber das Lächeln wurde doch nicht ganz sichtbar. Nach dem Kuss heute Nachmittag hatte sie neue Sorgen, die das Lächeln aus ihrem Gesicht vertrieben.
Er hatte ihr gefallen. Sehr sogar. Viel mehr als er sollte. Viel mehr als sich gehörte. Und viel, viel mehr, als dass sie hoffen könnte, ihn bald zu vergessen.
Wie war es dazu gekommen? Er hatte sie angeschrien und ausgesehen, als wollte er ihr den Hals umdrehen. Und im nächsten Augenblick hatte er sie in einer Umarmung gepackt, aus der es kein Entrinnen gab. Besitzergreifend hatte er seinen Mund in einer Weise auf ihren gedrückt, dass ihr selbst von der Erinnerung warm wurde.
Was war mit ihr geschehen, als Jake sie berührte? Welche chemischen Vorgänge hatten Empfindungen entfacht, die sie nie zuvor erlebt hatte und ihr das Gefühl gaben, eine Fremde zu sein? Warum sehnte sie sich danach, das noch mal zu erleben?
Sie lehnte ihre Wange gegen den Baumstamm. Müßig zerzupfte sie ein Blatt, ließ die Fetzen zu Boden gleiten und rupfte ein weiteres Blatt ab.
Die Idee, die sich in ihrem Kopf festgesetzt hatte, ließ sie einfach nicht los. Sie war kühn und undenkbar, aber Banner hatte in der jüngsten Vergangenheit schon oft kühne und undenkbare Dinge getan und wusste, dass sie noch nie vor kühnen und undenkbaren Handlungen zurückgeschreckt war. Wie Windmühlenflügel kreisten diese Gedanken endlos in ihrem Kopf.
Jake und sie würden heiraten.
Da, jetzt hatte sie den Gedanken vor sich selbst
Weitere Kostenlose Bücher