Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wilder Als Ein Traum

Titel: Wilder Als Ein Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
Arjon?«
    »Genau, Arjon. Ich habe Papa angefleht, ihn wieder in die Normandie zu schicken; aber er hat Arjons Vater seinerzeit versprochen, ihm Gottesfurcht einzubläuen. Er war ein schrecklicher Junge. Hat mich ständig an den Haaren gezogen und mir Käfer in den Ausschnitt meiner Kleider gesteckt.« Ihre süße Stimme drückte grenzenlose Verachtung aus. »Ich habe ihn wirklich verabscheut.« Lyssandra stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Aber mein geliebter Colin hat mich stets verteidigt. Einmal hat er Arjon meinetwegen sogar zu einem Duell herausgefordert. Papa erlaubte den beiden natürlich nur die Verwendung von Holzstöcken - aber Colin hat Arjon damit einen solchen Hieb versetzt, dass er rücklings in den Pferdetrog gefallen ist. Vor lauter Lachen tat mir am Ende alles weh …«
    Tabitha legte eine Hand auf ihren Bauch. Allmählich wurde ihr übel und sie vermutete, dass es nicht am Nahrungsmangel lag. All die reizvollen Geschichten von Colin und seiner lieblichen Verlobten hielt sie einfach nicht mehr aus.
    Glücklicherweise wurde sie dadurch erlöst, dass Lyssandra sie mütterlich in beide Wangen kniff, wieder auf die Füße zog und in Richtung eines von Kerzen erleuchteten Alkoven führte, in dem ein riesiger, goldgerahmter Spiegel in Form zweier verschlungener Hände hing. Tabitha schüttelte den absurden Impuls ab, zu fragen, wer von ihnen denn nun die Allerschönste war. Die Antwort hätte sie sicher nur betrübt.
    Doch als Lyssandra sie dichter an die Scheibe schob, dachte Tabitha, dass es wahrscheinlich doch ein Zauberspiegel war. Denn die Frau, die sie schüchtern anblickte, kam ihr vollkommen fremd vor.

    Sie wirkte nicht linkisch, sondern elegant wie eine Statue. In dem Seidengewand mit der ähnlich einem Wasserfall um ihre Knöchel fallenden Schleppe sah sie aus wie eine Königin. Der reiche Ton des Stoffes machte ihre Augen dunkler - statt langweilig grau wirkten sie plötzlich fast blau.
    Durch den erzwungenen Verzicht auf Big Macs und becherweise Häagen-Daz, die sie früher eher aus Langeweile denn aus Hunger in sich hineingeschaufelt hatte, sahen ihre Wangen jetzt wie gemeißelt aus. Sie blinzelte verwirrt und nahm auf einmal eine Spur des geradezu legendären Knochenbaus von ihrem Vater an sich wahr, aufgrund dessen er aussah wie ein nordischer Prinz.
    Die Sonne hatte ihre städtische Blässe übertüncht, die Haut gebräunt und ihre Haare honigfarben getönt. Die schimmernden Strähnen lockten sich seidig über ihren Schultern und rahmten ein Gesicht, dessen vormals harter Ausdruck jetzt der Verletzlichkeit einer Liebenden gewichen war. Selbst ihre Lippen kamen ihr weicher und voller als gewöhnlich vor, als läge auf ihnen immer noch die Erinnerung an Colins letzten Kuss. Mit einer Mischung aus Verzweiflung und Verwunderung hob Tabitha ihre Finger ebenso zärtlich an ihren Mund, wie Colin es des Nachts getan hatte.
    »Ihr seid wirklich eine selten schöne Frau, Mylady«, stellte Lyssandra mit einem melodramatischen Stöhnen fest. »Warum, o warum nur muss ich so untersetzt sein wie Papa, statt die Figur meiner Mama geerbt zu haben?« Wütend stampfte sie mit einem ihrer schmalen Füße auf. »Wenn ich heute Abend zu dicht neben Euch stehe, hält mich sicher irgendjemand für einen von Papas Zwergen.«
    Tabitha brach in hilfloses Gelächter aus. Anscheinend saß sie einem schrecklichen Irrtum auf. Colins Verlobte war doch keine Märchenprinzessin, sondern eher wie eine märchenhafte
Mutter, die aus lauter Großzügigkeit selbst der skeptischsten Cinderella ihre gläsernen Pantoffeln überließ. Genau in diesem Augenblick wurde ihr klar, weshalb ihr das Mädchen beinahe schmerzlich vertraut schien.
    Lyssandra war wie ihre Mutter, genau wie Arian!
    Mit tränenfeuchten Augen, doch gleichzeitig lachend nahm Tabitha das Fräulein in den Arm.
     
    Colin leerte den dritten Krug Bier und blickte zum x-ten Mal hinauf zu der gewölbten Decke des großen Rittersaals.
    Obgleich MacDuff das Fest zu seinen Ehren veranstaltete, fühlte er sich weniger wie ein Gast als vielmehr wie ein Narr. Er wäre nicht einmal zusammengezuckt, stände plötzlich einer der Gaukler hinter ihm und stülpte ihm eine auf einen Stock gesteckte Schweinsblase über. Das hatte er durchaus verdient dafür, dass er zwei seinen unwürdigen Händen anvertraute, weiche Herzen brach.
    Ein Trio Pfeifenspieler intonierte eine wehmütige Melodie. Die strahlende Versammlung edler Damen und tapferer Ritter spendete begeisterten

Weitere Kostenlose Bücher