Wilder Oleander
gespielt hatte.
Das war lange her und Fallon hatte sich in Sicherheit gewähnt. Aber kürzlich hatte er erfahren, dass es da doch noch so einiges gab, was ihn in Zusammenhang mit Bakersfelt und dem Babyhandel bringen konnte.
Fallon überließ die Näherin ihrer Arbeit und ging ins obere Stockwerk des Penthauses, wo er sich in dem mit Marmor verkleideten geräumigen Bad unter die Dusche stellte. Als er seinen durchtrainierten Körper abseifte, wanderten seine Gedanken zurück in die späten sechziger, frühen siebziger Jahre, als er Schwarzmarktbabys quer durch die Weststaaten kutschiert hatte. Brachte damals gutes Geld ein und war leichte Arbeit. Lediglich ein Fahrer und ein Kindermädchen, von anderen Fahrern Babys übernehmen – woher sie stammten, wusste man nicht, anzunehmen, dass die meisten gestohlen waren – und sie bei ihren neuen Familien abliefern. Alles so verdammt illegal, dass es unmöglich war, irgendeins wieder aufzuspüren, und Mike Fallon nahm an, dass seine Mitwirkung bei dieser Art Geschäfte niemals auffliegen würde.
Aber das sollte sich als Irrtum erweisen. Durch die Neugier einer gewissen Abby Tyler, die außerhalb von Palm Springs ein Ferienparadies besaß.
Fallon stellte die Dusche ab, wickelte sich in einen Bademantel und trat ans Fenster, von dem aus man einen weiten Blick über Las Vegas hatte. In der Ferne gingen Gebäude und Grünflächen in ein endloses, ockerfarbenes Meer über: die Wüste. Michael Fallon mochte die Wüste nicht. Sie gemahnte ihn an Unendlichkeit. Sie zog und zog sich, ohne Anfang, ohne Ende, ohne Sinn und Zweck. Die Wüste war ihm unheimlich, weil man sie unmöglich erforschen oder verstehen, nicht mit ihr zu Rande kommen, sie sich aber auch nicht untertan machen
konnte, weil die Wüste – genau wie die Bank – immer gewann. Deshalb bevorzugte er den Beton und das Glas, das Neonlicht und die billige Auslegware der Casino-Hotels, inhalierte die kühle Luft der Klimaanlage wie Bergsteiger Höhenluft und fühlte sich in der grellen künstlichen Beleuchtung so wohl wie andere als Sonnenanbeter.
Er goss sich einen Scotch ein. Wann würde das beknackte Telefon endlich läuten?
Karl Bakersfelt war nur der Anfang gewesen. Danach hatte Michael eine Liste von Leuten zusammengestellt, die zu viel wussten, und dann systematisch angefangen, sie zum Schweigen zu bringen. Jetzt, viele Jahre später und kurz vor der Hochzeit seiner Tochter, war die Liste auf fünf Namen zusammengeschrumpft.
Den Redakteur einer Zeitung in Nevada hatte er sich als Ersten von der Liste vorgeknöpft. Als Fallon mit fünfundzwanzig Jahren Gayane Simonian heiratete, hatte der Kerl einen Tag später geschrieben: »Gregory Simonian, der als Begründer des berühmten Strip gilt, war lange Zeit geachtet, weil er sich weigerte, mit Gangstern Geschäfte zu machen. Das Wagon Wheel ist angeblich das einzige Casino, das keinerlei ›branchenfremde‹ Interessen verfolgt. Da er seit gestern Michael Fallon zum Schwiegersohn hat, deutet jedoch alles darauf hin, dass ab sofort für Mr.Simonian der Wind aus einer anderen Richtung bläst.«
Fallon und seine Revolvermänner hatten mitten in der Nacht das Haus des Redakteurs gestürmt und ihn und seine Frau aus dem Bett gescheucht. Der Redakteur wurde an einen Stuhl gefesselt, und auf seine Frage »Was haben Sie vor?« hatte Fallon süffisant geantwortet: »Auf Sie schießen, natürlich. Erwartet man das nicht von einem
Gangster
?«
Dann hatte Fallon der Frau befohlen, ihr Nachthemd auszuziehen und sich nackt vor ihn hinzuknien. Während einer
seiner Männer dem Redakteur einen Revolver an den Kopf hielt, öffnete Fallon den Reißverschluss seiner Hose, holte sein erigiertes Glied heraus und sagte zu der Frau: »Küss ihn.«
Als sie sich weigerte, meinte er: »Ich sag das nur noch einmal. Dann drückt mein Freund da drüben ab.«
Die verängstigte Frau tat, wie ihr befohlen, und kaum hatten ihre Lippen das bis zum Bersten aufgedunsene Fleisch berührt, zuckte ein greller Blitz auf. Fallon brachte seine Hose wieder in Ordnung und deutete auf die Kamera in Uri Edelsteins Hand. Dann drohte er dem Redakteur mit dem Finger und sagte: »Noch ein Wort über mich in Ihrem Schmierblatt, und dieses Foto wird in sämtlichen Staaten verbreitet.« Als er ging, meinte er mit einem verschmitzten Lächeln: »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich schießen würde.«
Es war nicht der Redakteur, der Fallon jetzt Sorgen bereitete – der Mann war seitdem längst dahingegangen
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