Wildes Begehren
los und lauf gebückt nach rechts. Wir gehen rauf, ins Kronendach.«
Isabeau schaute in die hoch aufragenden Bäume. Die Asche, die durch die Luft wirbelte, erinnerte an graue Schneeflocken. Der eigene Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren. Conner wollte, dass sie weiterlief, womöglich direkt in weiteres Gewehrfeuer hinein, während um sie herum die Kugeln zischten und die Flammen des Feuers ihnen auf den Fersen waren. Und dazu sollte sie noch meterhoch in das Laubdach steigen.
»Verflucht, ich hol dich hier raus, aber du musst tun, was ich sage.«
Sie hatte keine große Wahl. Wenn sie blieb, wo sie war, wurde sie erschossen. Sie nickte und biss die Zähne zusammen.
Conner gab ihr Feuerschutz und zischte »Los!« über die Schulter.
Isabeau sprang auf die Füße und sprintete geduckt nach rechts. Es war einfacher, als sie gedacht hatte; ihre Katze war sehr geschickt und meisterte das unebene Gelände ohne Schwierigkeiten. Sobald sie in Bewegung war, sang
ihr Blut wieder das Lied des Waldes. Etwas wirrer und hektischer als zuvor, doch ihre Sinne waren wieder so scharf, dass sie selbst im Laufen alles in ihrer Umgebung zuordnen konnte.
Sie wusste, vor ihr waren nur Tiere. Dass Conner zu ihr aufschloss, merkte sie dagegen erst an der freudigen Reaktion ihrer Katze. Was für ein blödes Tier! Wusste es denn nicht, dass Conner gefährlicher war als jedes Feuer? Isabeau hasste es, dass sie sich erleichtert fühlte, wenn er da war, redete sich aber ein, es läge daran, dass sie ohne ihn keine Chance hatte, lebendig aus der Situation herauszukommen. Sie widerstand dem Drang, über die Schulter zu sehen, um sich zu vergewissern, dass er wirklich da war, in seiner beruhigend männlichen Gestalt. Er gab ihr Selbstvertrauen, obwohl es anders sein sollte.
Während der Sonnenuntergang die Welt um sie herum in rotoranges Licht tauchte und der vom Feuer entfachte Wind durch die Bäume wehte, rannte sie, mehr auf die animalischen als auf die menschlichen Eigenschaften vertrauend, durch das Unterholz.
Plötzlich packte Conner sie an der Bluse und brachte sie abrupt zum Stillstand. »Hier. Hier steigen wir hoch. In den Baumkronen werden sie uns nicht suchen. Sie schießen blind, um uns den anderen in die Arme zu treiben. Ich will nicht, dass wir in ein Kreuzfeuer geraten.«
Isabeaus Keuchen hielt sich in Grenzen, trotz des schnellen Laufs, offensichtlich arbeiteten Lunge und Herz eher wie bei einer Katze. Sie schaute an dem langen Baumstamm empor. Die ersten Äste befanden sich gut neun Meter über ihrem Kopf. »Bist du verrückt?« Sie trat einen Schritt zurück. »Das schaffe ich nicht.«
»Oh doch. Du bist stark und kräftig, Isabeau. Einen Lebenszyklus als Katze hast du bereits hinter dir – mit mir zusammen. Nach und nach wirst du dich daran erinnern. Vertrau deiner Leopardin und halt dich zurück. Sie wird sich nicht ganz zeigen, aber sie hilft dir in die Bäume.«
»Habe ich schon mal erwähnt, dass ich unter Höhenangst leide?«
»Aber Kugeln machen dir nichts aus, ja?«
Isabeau sah ihn zweifelnd an, erkannte, dass er sich über sie lustig machte, und warf ihm einen finsteren Blick zu. »Das ist nicht witzig.« Doch als sie seine hochgezogene Braue sah, musste sie wider Willen lächeln. Er wirkte völlig entspannt und sah sie an, als könnte sie das Unmögliche tatsächlich zuwege bringen.
Sie holte tief Luft und schaute an dem langen Baumstamm hoch. Er war mit Lianen und unzähligen Blumen und Pilzen bewachsen. »Was soll ich machen?«
Conner ließ die weißen Zähne blitzen. »Braves Mädchen. Ich wusste, dass du dich trauen würdest.«
Isabeau hätte schwören können, dass seine Eckzähne ein klein wenig länger und spitzer waren als sonst, und ließ die Zunge prüfend über die eigenen Zähne gleiten. Sie fühlten sich ganz normal an, was sie fast etwas enttäuschte. Conners Lächeln machte sie ein wenig stolz, aber das wollte sie nicht zugeben, deshalb konzentrierte sie sich auf den Baum. »Dann wusstest du mehr als ich. Sag mir, wie ich es anstellen soll.«
»Zieh deine Schuhe aus und häng sie dir um.«
Isabeau zögerte, doch Conner war bereits dabei, den eigenen Ratschlag in die Tat umsetzen, also folgte sie widerstrebend seinem Beispiel, stopfte ihre Socken in die Schuhe,
band die Schnürsenkel zusammen und legte sie sich um den Hals. Sie kam sich albern vor, trotzdem richtete sie sich wieder auf und wartete verlegen auf weitere Anweisungen.
»Sag mir, wie das gehen soll.«
»Ich bleibe direkt
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