Wind Der Zeiten
Angestrengt überlegte ich. »Ja, das muss es sein. Brandubh hat nach Futter gescharrt und dabei einen davon freigelegt. Als ich das entdeckte, bin ich im Kreis gegangen und habe Stein für Stein vom Moos entfernt. Ich habe die Dinger in meiner Aufregung regelrecht poliert.«
»Dann tun wir jetzt das Gleiche.«
Ich suchte nach dem ersten im Boden eingelassenen Fels. Er war schnell gefunden, und vorsichtig rieb ich ihn blank. Dann bewegte ich mich, wie ich es schon einmal getan hatte, gegen den Uhrzeigersinn und legte nacheinander alle Feensteine frei.
Alan beobachtete mich, die Pferde am Zügel, aus der Mitte
des Kreises. Seine Handknöchel waren weiß, und auch jetzt schaute er wieder in die Ferne, wo Castle Grianach seinem Namen alle Ehre machte.
»Bist du ganz sicher?«, fragte ich ihn, als ich die letzte Markierung entdeckte.
Er nickte nur stumm, und ich wischte mit meinen erdigen Händen über die glatte Oberfläche, bis sie glänzte. Dann stand ich auf, ging zu Alan und ergriff seine Hand. Sie war eiskalt. Bang sahen wir uns an. Würde es klappen, oder mussten wir tatsächlich, wie mit Lachlan abgesprochen, in die Handelsniederlassung der MacCoinnaichs nach Holland reisen und von dort aus die Passage nach Neuschottland planen?
Als ich schon glaubte, dass alles nur ein Traum gewesen war, begann es. Wind kam auf, der schnell zu einer Art Wirbelsturm wurde, in dessen Mitte wir mit den nervösen Pferden standen. Um uns herum verdunkelte sich die Welt, angstvoll klammerte ich mich an Alan, der fest seine Arme um mich schloss.
»Was auch passiert, ich liebe dich!«, brüllte er gegen das rasenden Heulen an, und ich weiß nicht, ob er meine Antwort noch hörte, bevor die Dunkelheit über uns hereinbrach.
Geweckt wurde ich vom warmen Atem, den mir Brandubh ins Gesicht blies. Ganz dicht neben ihm stand die Stute mit angelegten Ohren, in ihren angstvoll aufgerissenen Augen konnte ich das Weiß sehen.
»Alan?« Ein Stöhnen war die Antwort, und dann sah ich es: Er blutete aus einer Kopfwunde. »O nein, nicht schon wieder. « Ich robbte zu ihm hinüber. Er hatte sich beim Sturz wieder den Kopf angeschlagen und setzte sich schwerfällig
auf. Immerhin, dieses Mal standen keine mörderischen Highlander um uns herum, und ich war auch nicht nackt. Tatsächlich trugen wir die gleiche Kleidung wie zuvor. Zweifelnd sah ich an mir hinab. »Hat es funktioniert?«
»Ich habe keine Ahnung«, brummte er und tastete seinen Hinterkopf ab. »Das wird wieder eine mächtige Beule geben.«
Nach einer Weile fühlten wir uns mutig genug, um dem Schicksal ins Auge zu blicken. Alan half mir auf, und gemeinsam gingen wir zu der Felsplatte. Von der Wäsche, die ich damals darauf zum Trocknen ausgebreitet hatte, gab es keine Spur. Enttäuscht blickte ich auf und hoffte, Castle Grianach in der Ferne zu sehen. Da war es. Komplett, keine Ruine.
Neben mir sog Alan aufgeregt die Luft ein. »Sieh nur: das Dorf, es sieht völlig anders aus. Und am Ufer führt eine Straße entlang!«
»Ein Auto. Da fährt ein Auto! Alan, wir haben es geschafft, und das Castle ist völlig intakt. Kein Trümmerhaufen wie vor unserer ersten Zeitreise.«
Wir fielen uns in die Arme, und ich musste schließlich mit einem Schürzenzipfel meine Tränen trocknen. Alan wischte sich mit dem Ärmel über die Augen.
Genau konnte ich nicht sagen, was ich fühlte. Erleichterung darüber, dass die Magie des Feenkreises uns zurück in meine Zeit gebracht hatte, oder die Trauer, dass wir unsere Familie und viele gute Freunde zurückgelassen hatten.
Gern wäre ich sofort zum Pub von Caitlynn und Iain geritten, aber Alan wollte unbedingt wissen, was aus seinem Zuhause geworden war. Schnell gewann meine eigene Neugier die Oberhand, und wir machten uns auf den Weg ins Tal. Bald lag der ursprüngliche Wald hinter uns, und wir durchquerten Anpflanzungen, die über den Resten einer Monokultur
aus Tannen angelegt waren. Zufrieden schaute er sich um. »Wer immer jetzt Chief ist, er tut hier das Richtige.«
Auch nach fast dreihundert Jahren existierten hier oben noch die meisten ihm bekannten Pfade. Manchmal war ein Weg für die Fahrzeuge der Waldarbeiter ausgebaut und verbreitert worden, aber wir fanden uns leicht zurecht. Es gab jedoch viel weniger Hütten und Häuser. Nicht selten ritten wir an einer Steinmauer oder einer Ruine vorbei, die darauf hinwiesen, dass hier bis vor wenigen Jahrzehnten noch Menschen gelebt hatten. Das Dorf allerdings fanden wir völlig verändert
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