Winterland
Posten.
»Das verstehe ich nicht«, sagte sie und schaute ihn wieder an. »Ich verstehe es nicht, Peter. Hast du das Datum geschrieben?«
»Nein.«
»Nicht?«
»Ich habe den Zeitungsausschnitt in einem Umschlag erhalten, der in Göteborg abgestempelt war, und er sah genauso aus, wie er jetzt aussieht.« Er schaute sich um und sah sie dann an. »Jemand wollte sichergehen, dass ich die Anzeige auch sehe.«
»Jemand?«
Er antwortete nicht. Er wusste, was sie dachte. Sie dachte dasselbe wie er. Dasselbe Gesicht.
»Mein Gott«, stieß sie hervor.
»Natürlich habe ich es nachgeprüft«, sagte er mit einer Stimme, die so ruhig war, dass es ihn selbst erstaunte. »Bin in die Bibliothek gegangen. Die Annonce ist nicht an jenem Tag in Göteborgs Posten erschienen.«
Sie schien ihn nicht zu hören.
»Erkennst du das Datum wieder?«, fragte er und beugte sich etwas näher zu ihr. Sie schien ihn nicht zu hören, sondern schaute durch ihn durch. »Das Datum? Den ›Jahrestag‹?«
Sie bewegte ihre Augen und war wieder in der Gegenwart zurück. Sie schaute ihn an. Er wusste, wo sie gewesen war.
»Es kann auch etwas ganz anderes sein«, sagte sie. »Ein reiner Zufall. Mein Gott, wir sind doch nicht die Einzigen auf der Welt, die Peter und Britt heißen, oder?«
»Ich habe auch schon versucht, es so zu sehen«, sagte er.
»Dann sieh es weiter so«, sagte sie, »dann tue ich es auch.«
»Aber eine Sache gibt es da noch«, sagte er.
»Sag es nicht«, drohte sie, »ich stehe sofort auf und gehe, wenn du es sagst.«
»Der Teich«, sagte er. Er musste es einfach sagen.
Sie stand auf und ging.
Sie weiß, wo ich bin, dachte er. Sie wird dorthin kommen.
Die Sonne war verschwunden, aber das Licht war noch da. Es war zwischen die Bäume gesunken und hatte eine sanftere Färbung bekommen, aber es war noch da, als er auf dem Waldweg fuhr. Der Weg war trocken und hart, weil es mehrere Wochen lang nicht geregnet hatte. Er hatte das Fenster heruntergekurbelt und roch die Düfte, die sich nach Sonnenuntergang tausendfach zu vermehren schienen.
Er stellte das Auto unter einem Baum ab, der durch einen Blitzschlag in zwei Teile gespalten worden war. Als er klein war, hatte er oft in der Gabelung gesessen und auf den Wald geschaut. Er hatte ihn immer als sehr dunkel empfunden.
Der Pfad war noch da. Er verlief genauso wie damals: nach links, dann rechts, dann wieder rechts, links, ein Baumstumpf, links. Auch die Hütte stand noch dort und sah genauso aus wie damals. Er wusste nicht, ob sie immer noch ihrer Familie gehörte.
Die Fenster waren schwarz. Er ging daran vorbei, ohne an die Türklinke zu fassen. Er wollte nie wieder dort hineingehen. Er hatte überhaupt nie wieder hier gehen wollen, auf diesem Pfad, und niemals, niemals wieder bis zum Wasser hinunter, das zwischen den Bäumen glitzerte.
Der Teich.
Jetzt hörte er einen Seetaucher von dort. Er ging zum Ufer. Über der Wasseroberfläche schwebte ein sanfter Nebel. Der Teich war größer, als er ihn in Erinnerung hatte, aber vielleicht war er auch in den zwanzig Jahren, die vergangen waren, zu einem See gewachsen. Das war unwahrscheinlich. Aber er wollte sich nicht an seine Erinnerungen heranwagen. Sie hatten ihn hierher geführt, doch mehr Raum wollte er ihnen nicht geben.
Er nahm die Gerüche des Ufers wahr, und alles war anders hier als in der Stadt. Da waren die Gerüche trocken und stark und klar wie das Wasser des Meeres. Hier waren sie dunkel und unbestimmt, erfüllt von Verrottung und Moder, so wie das schwarze Wasser, das nur wenige Meter von seinen Füßen entfernt lag.
Jetzt kamen die Erinnerungen.
Sie waren in der Hütte gewesen. Britt und er waren dort gewesen, und sie waren nackt gewesen, es war das zweite Mal. Er hatte kein Recht darauf gehabt, und sie auch nicht.
Es kam niemand dorthin. Sie konnten nicht voneinander lassen. Sie hatte gesagt, sie habe begriffen, dass sie ihm gehöre, und er ihr. Sie habe es ihrem Verlobten noch nicht gesagt, aber jetzt habe sie es begriffen. Sie würde erzählen, was niemand wusste. Ich traue mich, hatte sie gesagt.
Ihr Verlobter war gewalttätig. Einer von diesen großen, gewalttätigen, großmäuligen Männern, die die schönen Frauen wie ein Magnet anzogen. Und diesmal war er geschlagen worden, und zwar von ihm, von Peter, und er jubelte innerlich, hatte aber gleichzeitig auch Angst davor, was geschehen könnte, wenn das Geheimnis ruchbar würde.
Er hatte sie wieder gestreichelt.
Er stand am Teich und
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