Wintermaerchen
die Jahrtausendwende Gesetze auf Gesetze und Rechte auf Rechte prallen würden, dann wollte er die Stadt wie ein Schiff durch die stürmische Meeresenge in die dahinterliegenden ruhigen Gewässer steuern. Sofern seine Vermutungen richtig waren und sich bei der bevorstehenden Konfrontation aus dem allgemeinen Getümmel eine eindeutige Richtung herausschälen würde, dann musste er sich danach richten. Dies war die Logik, die seinen ungewöhnlichen Wahlkampfstil bestimmte und ihn dazu bewog, den Winter als Thema einzusetzen. Es wäre ziemlich abwegig gewesen, räsonierte er, das Bürgermeisteramt mit konventionellen Mitteln zu erkämpfen und dann eine unkonventionelle Amtszeit einzuleiten, wie er sie sich vorstellte. Lieber wollte er das Risiko eingehen, die Wählerschaft zu vergrätzen, indem er ihr die Wahrheit auftischte, mochte diese noch so verstiegen und ungeheuerlich sein.
»Wahlkampfbuttons?«, fragte er seinen Stabschef. »Das ist Geldverschwendung. Hier, geben Sie dies an die Presse weiter: Zum Thema Wahlkampfbuttons habe ich Folgendes zu sagen: Keine De-Pinto-Buttons werden für diese oder irgendeine andere Wahl hergestellt werden. Jeder, der sich dazu hergibt, unentgeltlich seinen Körper als wandelndes Wahlplakat einzusetzen, ist ein Narr, der an dem abscheulichen Phänomen der Massensuggestion und -manipulation teilzuhaben trachtet. Ich will davon nichts wissen. Menschen, die diese Buttons tragen, sind ebenso hohlköpfig wie Frauen, die aus ihrem Busen Kapital schlagen. Ich möchte weder die Stimmen der einen noch der anderen.«
»Und was sollen wir zum Thema Gracie Mansion erklären, Mr de Pinto?« Der Hermelinbürgermeister hatte die letzte Wahl fast gegen den Stadtrat Magiostra verloren, nachdem Letzterer gelobt hatte, weiterhin in seiner ärmlichen Behausung in der Bronx zu wohnen, statt in den prächtigen Amtssitz des Bürgermeisters einzuziehen.
»Ich habe nicht vor, dort zu wohnen.«
Der Stabschef seufzte erleichtert, denn schon ließ der Hermelinbürgermeister all seine Habe von der Gracie Mansion in ein prestigeträchtiges kleines Elendsquartier schaffen, das er am Mother Cabrini Boulevard gemietet hatte.
»Wir werden die Gracie Mansion als Kongresszentrum benutzen«, sagte Praeger. »Es wird nett sein, dort oben Konferenzen abzuhalten, mit Blick auf das Bird-S.-Coler-Hospital und diese schöne Weidenkorbfabrik. Aber ich will nicht neben einer gottverdammten Weidenkorbfabrik leben !«
»Das ist gut. Dieses Pferd werden wir dem Hermelinbürgermeister also auch unter dem Hintern wegschießen.«
»Richtig. Diese Stadt hat ein hohes Steueraufkommen. Der Bürgermeister der größten Stadt der Welt sollte eine angemessene Bleibe haben, einen Wohnsitz, der eine innere Beziehung zur städtischen Architekur hat. Wir werden ein wenig vom Steuergeld nehmen, sagen wir eine runde Milliarde, und einen Palast bauen. Wir könnten die oberen Stockwerke und die Zwischenräume von vier oder fünf Wolkenkratzern kaufen, sie mit Stahlgerüsten verbinden und auf diese Weise eine Plattform für einen kleinen, luftigen, von Gärten umgebenen Komplex à la Versailles schaffen. Aber was rede ich da? Wir brauchen keine Wolkenkratzer zu kaufen, wir werden sie ganz einfach auf dem Weg der Enteignung in den Besitz der Stadt bringen.«
»Aber was werden die großen Firmen sagen, denen die Gebäude gehören? Von ihnen stammt das meiste Geld für unseren Wahlkampf!«
»Zur Hölle mit ihnen«, erwiderte Praeger. »Gebt ihnen ihr Geld zurück. Falls es schon ausgegeben ist, stellt ihnen Schuldscheine aus. Diese Burschen aus der Immobilienbranche sind ein Haufen großschnäuziger Milliardäre, besonders Marcel Aphand. Mir wird übel, wenn ich seine Fahne mit der Gorillafaust auf jedem zweiten Dach wehen sehe. Es wird allmählich Zeit, dass jemand die Wahrheit über diese Leute sagt, vor allem über diesen Aphand. Sie sind korrupt und käuflich. Organisieren Sie eine Pressekonferenz zu diesem Thema!«
»Aber die Bankiers! Wir haben keine Rückendeckung für unsere Schuldscheine. Mit den Bankiers haben Sie sich auch schon angelegt.«
»Das haben sie auch nicht anders verdient«, sagte Praeger. »Diese berechnenden Blutsauger! Ich werde ihnen noch einmal meine Meinung sagen.«
»Wenigstens kommt das gut beim Volk an. Die Leute lieben Politiker, die den Bankiers eins verpassen. Solange Sie die Dinge nicht zu genau beim Namen nennen, könnten Sie damit durchkommen.«
»Das Volk , sagten Sie? Meiner Meinung nach verdienen
Weitere Kostenlose Bücher