Wintermaerchen

Titel: Wintermaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Helprin

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Veranda, Peter Lake in einem der Schlafzimmer, die im ersten Stock des Hauses lagen. Als er erwachte, war es schon dunkel. Er tastete sich einen Korridor entlang und die Treppe hinab, bis er in einem riesigen Zimmer stand, in dem zwei Kamine brannten. Hellwach blickte ihm die gesamte Familie Penn entgegen, einschließlich Beverly, die aus der Kälte herabgestiegen war. Peter Lake verkündete, er müsse noch nach seinem Pferd sehen und trat durch die vordere Tür ins Freie. Die Luft war wie ein einziger riesiger Eiskristall, in dessen Mitte hell der Mond schien. Peter folgte den Schlittenspuren bis zum Stall. Er öffnete die Tür einen Spalt breit und warf einen schnellen Blick auf Athansor, der zufrieden unter einer dicken dunkelroten Decke schlief. Ausgeruht und mit klarem Kopf kehrte Peter zum Haus zurück. Alle außer Isaac Penn waren in der Küche eifrig damit beschäftigt, ein Festmahl vorzubereiten, an dem sich die Hunnen, die Mongolen und die Eskimos hätten satt essen können. Der alte Isaac thronte derweil in einem Ledersessel im Salon und starrte unverwandt ins Feuer, während seine dünnen Finger auf die Armlehne aus schwerem Holz trommelten.
    Peter Lake setzte sich auf eine Bank neben dem Kamin und blickte dem Hausherrn geradewegs in die Augen. Innerlich war er auf eine Art Duell mit Blicken gefasst, ähnlich wie bei Pearly Soames. Peter Lake wusste, dass mächtige Männer andere Leute mit den Augen zurechtstutzen können – und dass sie von dieser Fähigkeit ausgiebig Gebrauch machen. Jackson Mead und Mootfowl hatten dies getan, freilich ohne Arg. Peter Lake erwartete also, mit Blicken gewogen und für zu leicht befunden zu werden, denn Isaac Penn war aus anderem Holz geschnitzt als Pearly, ja, Pearly war im Vergleich zum alten Penn nur ein kleines Hündchen mit spitzen Zähnen. Isaac Penn hielt in der Stadt alle Fäden in der Hand. Fast nach Belieben konnte er das Bild ändern, das sie sich von sich selbst machte. Durch eine geringfügige Verlagerung der Gewichte vermochte er die Menschen in eine Art Trance oder Hypnose zu versetzen. Wenn er wollte, verfielen sie mit zuckenden Gliedern in einen beängstigenden Anfall. Er konnte sie zu Tode erschrecken, sie von den Straßen in die Häuser jagen und bewirken, dass sie sich furchtsam nach einem Schlupfwinkel umsahen. Dieser Isaac Penn hatte aber auch die Macht, eine Stadt wie New York zu einer Kraftentfaltung anzustacheln, die die Giganten dieser Welt beschämt hätte, doch es lag ebenso in seinem Ermessen, alle Energien der Stadt nur darauf zu lenken, ein Staubkorn aus dem Auge eines Säuglings zu entfernen.
    Es nimmt daher nicht wunder, dass Peter Lake sich auf eine jener Begegnungen eingestellt hatte, bei denen er sich vorkam wie eine vorwitzige kleine Mücke. Umso größer war seine Überraschung, als Isaac Penn ihn mit der Friedfertigkeit eines Schafes anblickte und sich erkundigte:
    »Äh, ahem, nehmen Sie ein Glas Wein zum Essen?«
    »Bisweilen«, antwortete Peter.
    »Gut, dann wird es heute Abend Wein geben. Wie wäre es mit einer Flasche Claret? Château Moules du Lac, Jahrgang 98?«
    »Oh ja, durchaus«, stimmte Peter zu. »Aber wird es nicht Claré ausgesprochen!«
    »Nein, Claret! Das ›t‹ ist nicht stumm, genau wie in Filet.«
    »Filet? Ich dachte, man sagt Filé .«
    »Nein, es heißt Filet und Claret!« Isaac Penn lehnte sich in seinem Sessel zurück, und Peter fühlte sich schon viel besser. »Wissen Sie was?«, sagte Isaac Penn.
    »Ja bitte, Sir?«
    »Sie sehen aus wie ein Schelm! Wer sind Sie, was machen Sie, wie stehen Sie zu Beverly, was wissen Sie über ihren Zustand, welches sind Ihre Beweggründe, Absichten und Wünsche? Sagen Sie mir die reine Wahrheit, ersparen Sie sich überflüssige Worte, schweigen Sie, wenn ein Kind oder ein Dienstbote das Zimmer betritt, und fassen Sie sich kurz!«
    »Wie könnte ich mich kurz fassen? Ihre Fragen sind nicht einfach zu beantworten.«
    »Versuchen Sie es trotzdem! Wären Sie einer meiner Journalisten, dann hätten Sie schon verspielt. Gott schuf die Welt in sechs Tagen. Äffen Sie ihn nach!«
    »Ich werde es versuchen.«
    »Zur Sache!«
    »Einverstanden.«
    »Zur Sache, sagte ich!«
    »Mein Name ist Peter Lake. Sie haben Recht, ich bin ein Schwindler, ja sogar ein Einbrecher. Aber in Wirklichkeit bin ich Mechaniker, und zwar ein guter. Ich liebe Beverly. Unser Verhältnis zueinander lässt sich nicht mit Worten beschreiben. Ich verfolge keinen Plan. Ihr Zustand ist mir bekannt, aber ich