Wintermond (German Edition)
auf falsche Typen und irgendwelche illegalen Spiele eingelassen hatte. Dennoch hätte er es nicht so weit kommen lassen dürfen. Jetzt brauchte er 40.000 Euro und das anscheinend sehr dringend. Denn ansonsten hätten die Kerle nicht dafür gesorgt, Sam zu töten. Eigentlich war Jo Alex’ einzige Hoffnung, doch wenn dieser nicht bereit war, Alex’ in einer solch prekären Situation zu unterstützen, gab es eigentlich keine andere Lösung mehr für Alex.
„Und wenn du Jo alles erklärst? Vielleicht würde er dir ja doch helfen?“, schlug Ben vor, war allerdings selbst nicht sonderlich von dieser Idee überzeugt.
„Willst du mich verarschen?“, fuhr Alex ihn daraufhin von der Seite an. „Wie stellst du dir das denn vor? Hey Jo, ich hab’ beim Pokern 40.000 Euro verspielt. Könntest du mir das Geld bitte geben? Ansonsten machen die Typen mich fertig.“
Er verstellte seine Stimme und drückte sich so übertrieben sachlich aus, dass es schon fast lächerlich klang und Ben sich ein Schmunzeln verkneifen musste.
„Schon klar“, sagte er daraufhin. „Jo würde sofort zur Polizei gehen.“
„Blitzmerker!“, gab Alex spöttisch zurück.
„Und wenn ich mal mit ihm rede?“, dachte Ben weiter.
„Mann, Ben!“, entgegnete Alex gequält. „Was willst du ihm denn sagen?“
Es war eine rein rhetorische Frage, weshalb Ben sofort einsah, wie schwachsinnig sein Vorschlag gewesen war.
„Du hast ja Recht“, gab er kleinlaut zu und schwieg daraufhin.
„Mir wird schon noch etwas einfallen ... irgendetwas“, sagte Alex nachdenklich.
Dann schwieg auch er. Es kehrte eine erdrückende Stille ein. Es wurde sogar so still, dass man sich einbildete, das unberührte Wasser fließen zu hören. Sie saßen beide einfach nur da, blickten ausdruckslos vor sich ins Leere und jeder von ihnen schien nur darauf zu warten, dass der andere das Schweigen brach. Ben überlegte, ob er den Kuss noch einmal ansprechen sollte, empfand es in jener Situation allerdings als vollkommen unangebracht und entschied sich deshalb dagegen. Außerdem hätte er überhaupt nicht gewusst, wie er das, was er darüber dachte, zum Ausdruck bringen sollte.
„Warum verspielst du auch so viel Geld?“, sagte er schließlich und verzog seine Miene dabei mitleidig. „Das ist doch völlig idiotisch und ...“
Er stockte. Während er gesprochen hatte, hatte er die letzten Wochen in seinem Kopf Revue passieren lassen. All das, was er von Alex’ Problemen mitbekommen hatte: Ihre erste Begegnung vor der Villa, das Telefonat im Park und Sam, wie Alex ihn tot vor der Tür gefunden hatte. Auch hatte er sich daran erinnert, wie er Alex in das Quartier der Kerle gefolgt war und damit einen kleinen Einblick in die schmutzige Szene erhascht hatte. Neben diesen wichtigen Hauptgedanken, gab es noch viele andere Bilder in seinem Kopf. Kleine Nebengedanken, in denen er all das, was er bislang in der Villa erlebt hatte, zu kombinieren versucht hatte. Mühselig hatte er sich an jede Begegnung mit Alex zu erinnern versucht, an jedes einzelne Detail. Dabei war ihm etwas in den Sinn gekommen, das er eigentlich gar nicht denken mochte. Doch die Fakten sprachen für sich.
Es war die Erinnerung an ein gemeinsames Frühstück mit Jo und Alex. Jo hatte wie jeden Morgen in der Zeitung gelesen und Alex Ben wie üblich zu provozieren versucht. Dann hatte der Blonde das Esszimmer verlassen wollen, war aber ganz plötzlich stehen geblieben, als Jo ein paar Details eines Zeitungsartikels erwähnt hatte, in dem es um einen Einbruch am Pinnasberg ging. Schon zu jenem Zeitpunkt war Alex Ben etwas seltsam, fast verdächtig vorgekommen. Diesen Gedanken hatte er aber schnell wieder aus seinem Kopf verbannt, da er dem Blonden etwas Derartiges nicht zugetraut hatte.
Doch das hatte sich soeben geändert. Jetzt, wo er den wahren Hintergrund von Alex’ Problemen kannte und wusste, wie sehr dieser unter Druck stand. Plötzlich ergab alles einen Sinn. Alex brauchte die 40.000 und das möglichst schnell. Ben hatte die Typen an dem besagten Abend, an dem er Alex bis in dessen Quartier gefolgt war, selbst erlebt. Er hätte nicht weniger Respekt und Angst vor ihnen. Wenn sie dazu fähig waren, einen Hund zu töten und das auch noch als Belanglosigkeit abzutun, waren sie vermutlich zu weitaus mehr fähig. Damit hatte Alex sich in den letzten Wochen täglich auseinandersetzen müssen und auch damit, das viele Geld zu beschaffen. In seiner Verzweiflung war er deshalb offenbar zu mehr fähig
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