Wintermond (German Edition)
er den Safe nur zu öffnen, sich das Geld zu nehmen und es daraufhin dem Spanier zu bringen. Doch das konnte er nicht, denn obwohl er seinen Vater verabscheute, hegte er noch immer eine Menge Respekt gegenüber diesem. Noch nie hatte er ihn bestohlen, es eigentlich auch nie nötig gehabt. Jo war zwar ein miserabler Vater, aber eine großzügige Geldquelle. Alex gegenüber war er nie geizig gewesen. Nur in diesem Fall war es anders, wofür Jo allerdings seine Gründe hatte. Denn bevor Alex sich um 40.000 Euro verschuldet hatte, hatte er beim Spielen bereits kleinere Geldsummen verloren, diese aber immer mit Hilfe seines Vaters begleichen können. Jo hatte zwar nie gewusst, wofür Alex immer wieder gewisse Geldbeträge brauchte, diese Tatsache aber auch nie genauer hinterfragt. Erst mit Bens Auftauchen hatte er plötzlich einen imaginären Riegel vor sein Vermögen geschoben und Alex jeglichen weiteren Cent verschmäht. Ohne Ben wäre es also vermutlich niemals so weit gekommen. Mit Ben hatte Jo seinen perfekten Ersatzsohn gefunden und ihn vom ersten Tag an mit Alex verglichen. Alex hatte sich ein Beispiel an ihm nehmen sollen und aus diesem irrsinnigen Grund hatte sein Vater ihm jegliche weitere finanzielle Zuschüsse verwehrt.
Alex wurde wütend und empfand seine Umwelt in jenem Moment als äußerst ungerecht. Er konnte zwar nicht mehr klar denken, erkannte aber mit einem Mal, dass Ben die Ursache für all seine Probleme war: Für seine Eifersucht auf Jo, für dessen verändertes Verhalten, was Geld betraf, und vor allem für die merkwürdigen Gefühle in seinem Inneren, die er nach wie vor nicht zulassen wollte.
Das führte dazu, dass er plötzlich einen enormen Hass auf den Dunkelhaarigen entwickelte.
Alex wurde noch wütender. Der Alkohol hatte bereits sämtliche seiner Sinne betäubt, doch sein Verstand funktionierte noch für das Notwendigste. Er wollte seiner Wut freien Lauf lassen - so, wie es üblich für ihn war. Doch er fand nichts, an dem er sich vergehen konnte. Suchend und recht nervös blickte er sich um und landete mit seinem Blick schließlich wieder bei Bens Handy.
Genau in diesem Moment kam ihm ein absurder Gedanke und gleichzeitig eine mögliche Lösung für all seine Probleme. Zunächst wollte er diesen Gedankenzug gar nicht weiter ausführen, wehrte sich sogar etwas dagegen, ließ ihn letzten Endes aber doch zu. Er zögerte noch einen Moment, blickte dabei abwechselnd vom Handy zum Safe und taumelte schließlich erneut auf den Couchtisch zu. Inzwischen ungehemmt, streckte er seine Hand nach dem kleinen Telefon aus und drückte wahllos eine der Tasten. Das Display leuchtete auf und zeigte daraufhin eine Mitteilung über drei unbeantwortete Anrufe. Alex klickte sie weg. Daraufhin offenbarte es Alex ein Hintergrundbild von Ben und Nick, wie sie Arm in Arm vor der Kamera posierten.
Dieser letzte Eindruck verfestigte Alex’ Entschluss noch einmal immens. Ein brennendes Gefühl durchzog seine Nervenbahnen und erfüllte ihn mit schmerzender Eifersucht. Er verstand nicht, warum sich genau dieses Bild auf Bens Handy befand, vermutete allerdings, dass die beiden sich vor nicht allzu langer Zeit getrennt hatten.
Das Gefühl von Eifersucht ließ er ungewollt zu, denn aufgrund seines angetrunkenen Zustands konnte er sich nicht mehr dagegen wehren. Letztendlich zögerte er keine weitere Sekunde und taumelte mit dem Handy in der linken Hand erneut in Richtung des Safes. Die Kombination hatte er sich leicht merken können. Sie stellte das Geburtsdatum seiner Mutter dar.
Dann schaltete er seinen Kopf aus und begann entschlossen zu handeln. Es war, als ob er sich in einer Art Wahnzustand befand, den er eigenständig nicht mehr bremsen konnte. Ähnlich wie beim Sex, wenn man kurz vorm Höhepunkt stand und in genau diesem Moment nicht mehr fähig war, aufzuhören.
Er drückte wie wild auf die Tasten des Handys. So lange, bis er die Tastensperre erfolgreich entfernte. Dann arbeitete er sich bis in das Menü vor, öffnete eine neue Kurzmittelung und gab Folgendes ein: „2312“
Diese paar Zahlen speicherte er unter Entwürfe, ließ diesen Ordner geöffnet und legte das Handy daraufhin gut sichtbar neben dem Safe in das Bücherregal. Er trat näher auf den Safe zu und vergewisserte sich ein letztes Mal, dass niemand außer ihm im Raum war. Dann drehte er an dem kleinen Rädchen in genau der Reihenfolge der korrekten Kombination. Nachdem er zur letzten Zahl gedreht hatte, sprang der massive Kasten mit einem
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