Wintermond (German Edition)
offenbar eines von Bens Oberteilen geliehen, ein graues Tank Top, das ihm nicht nur stand, sondern ihn fast wie ein blondes Model aussehen ließ. Das Top gewährte freien Blick auf seine gut gebauten Arme und trug außerdem dazu bei, dass man seine Bauchmuskeln erahnen konnte. Ben starrte ihn an und merkte dabei nicht einmal, dass er seinen Mund vor Erstaunen leicht geöffnet hielt. Er kannte Alex bisher nur in Hemden, wodurch ihn das aktuelle Aussehen vollkommen aus der Fassung brachte.
„Ist nur geliehen“, riss Alex ihn aus seinen Gedanken und zupfte kurz an dem grauen Stoff über seiner Brust. „Ich hatte ja keine Wechselklamotten mit.“
„Ja...“, war das einzige, was Ben völlig abwesend hervorbrachte. Seinen Blick konnte er noch immer nicht von dem Blonden abwenden.
Alex schritt derweilen zur Fensterbank, holte den anderen Kaffebecher und stellte ihn auf den Nachtschrank. Ben musterte ihn fasziniert und beobachtete jede einzelne Bewegung, die der Blonde machte. Er hatte Alex von der ersten Begegnung an als äußerst attraktiv empfunden, doch dessen neuer Anblick brachte ihn nun völlig um den Verstand. Alex schien Bens Träumerei gar nicht zu bemerken. Er öffnete noch eines der Fenster, bevor er sich dann bequem ins Bett fläzte. Dann nahm er die Brötchentüte und zog zwei große Buttercroissants hervor.
„Was ist denn?“, fragte er dann und blickte kritisch in Bens Richtung. „Kommst du jetzt oder nicht?“
„Ja ... ich ...“, stammelte Ben und musste erst einmal kräftig schlucken, bevor er weitersprechen konnte. „Sorry ...“
Alex betrachtete ihn argwöhnisch und schien noch immer auf Ben zu warten. Dieser sammelte sich schließlich innerlich und trat daraufhin ebenfalls auf das Bett zu. Dort setzte er sich neben den Blonden und nahm das Croissant an, das Alex ihm hinhielt.
„Ich hab’ echt nicht viel Zeit“, sagte Alex. „Ich muss noch ’ne Menge erledigen.“
„Okay“, gab Ben zurück, während er sich ein mundgroßes Stück vom Croissant zupfte.
Gestern hätte er noch etliche Gesprächsthemen parat gehabt, doch in jenem Moment hatte ihm die gesamte Situation vollends die Sprache verschlagen. Das führte letztendlich dazu, dass die beiden schweigend nebeneinander saßen, ihre Croissants aßen und ihre Kaffees tranken.
Als Ben fertig war, klopfte er sich ein paar Blätterteigkrümel von der Hose, lehnte sich etwas zur Seite und stellte den leeren Pappbecher auf seinen Nachtschrank. Dann seufzte er leise auf. Auch Alex war mittlerweile fertig mit dem Frühstück. Ben musterte ihn von der Seite und konnte sehen, wie der Blonde ausdruckslos vor sich ins Leere starrte. In dieser Haltung kam er ihm das erste Mal vollkommen fremd vor. Er wusste nicht genau, wie er die Stille brechen sollte, war sich nicht einmal sicher, ob dies überhaupt angebracht war. Doch gleichzeitig sehnte er sich nach Alex’ Nähe - einfach nach einem Kuss oder einer simplen Berührung. Es war absurd, dass er plötzlich derart zurückhaltend war, denn noch am Vortag hatte er jegliche Hemmschwellen überschritten und innerhalb kürzester Zeit Dinge mit Alex getan, wofür andere mindestens ein paar Tage brauchten.
Alex saß noch immer wortlos da, hatte die Beine angewinkelt und seine Arme um die Knie geschlungen. Er schien völlig in sich gekehrt zu sein.
Schließlich wagte Ben den ersten Schritt, hob seine linke Hand und legte sie vorsichtig auf Alex’ Oberschenkel. Aufgrund dieser Geste blickte der Blonde tatsächlich zu ihm auf.
„Du siehst verdammt gut aus“, brach Ben das Schweigen und lächelte ehrlich.
„Und fühl’ mich verdammt beschissen“, gab Alex zurück und senkte den Blick wieder.
„Weißt du ... ich will nicht schon wieder damit anfangen, aber ich mach’ mir echt Sorgen. Seit du wieder hier bist, wirkst du wie ein Haufen Elend. Keine Ahnung, was dich bedrückt. Ich weiß, dass du mir ’nen Brief geschrieben hast, aber meinst du nicht, dass es vielleicht besser ist, mit mir zu reden?“, fragte Ben vorsichtig.
Alex hatte unterdessen schon den Kopf geschüttelt, bevor Ben überhaupt ausgesprochen hatte.
„Was ist denn nur los?“, fragte Ben einfühlsam. „Du hast mich und du hast das Geld für deine Schulden. Was bedrückt dich denn so?“
„Ich muss einfach ’n paar Sachen hinter mir lassen“, erwiderte Alex ruhig. „Das ist alles.“
Ben verstand nicht ganz, doch war er sich sicher, dass er vorerst keine weiteren Informationen aus dem Blonden herausbekommen würde.
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