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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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verzehren jedes Jahr 60 Kilo Fleisch pro Kopf - Spitzenreiter ist mit 38 % Schweinefleisch, 11 % Geflügel und 9 % Rind- und Kalbfleisch.

»Länger als 40 Minuten hält keiner durch.«
    Hannah, 34 Jahre, Dolmetscherin, muss sich konzentrieren wie ein Kampfpilot und manchmal auch furchtbaren Unsinn übersetzen.
    D as Einzige, was mir in meinem Job manchmal fehlt, ist, meine eigene Meinung sagen zu dürfen. Manchmal ist es schwer, das Sprachrohr für jemanden zu sein, dessen Ansicht man überhaupt nicht teilt. Sätze dolmetschen zu müssen, die einem persönlich nie über die Lippen kämen. Neulich war ich Dolmetscherin auf einer Diskussionsveranstaltung, da stand plötzlich ein Zuschauer auf und fing an, gegen Homosexuelle zu wettern: »Die verbreiten Krankheiten, die verseuchen alles, das ist unnatürlich! Man kann ja nicht mal mehr auf eine öffentliche Toilette gehen, weil die Schwulen dort alles mit ihren Krankheitserregern verseuchen. Wenn man seine Körperteile zu den falschen Zwecken einsetzt, dann wird man davon irgendwann krank. Haben Sie schon mal versucht, mit der Nase Kaffee zu trinken?«
    Kaum war ich fertig mit meiner Übersetzung, hat der ganze Saal gebuht und gepfiffen, ich musste erst mal kurz
mein Mikro ausmachen und mich sammeln. Aber hätte ich das nicht gedolmetscht oder inhaltlich abgeschwächt, hätte ich damit ja auch keinem geholfen, und die Reaktion des Publikums wäre nicht so stark gewesen. Sinn meiner Tätigkeit ist nun mal, dass alle verstehen, was dieser Mann gesagt hat, auch wenn es absurd und beleidigend ist. Aber in dem Moment habe ich bei mir gedacht: Vielleicht sollte ich mich an anderer Stelle in meinem Leben mal für die Rechte Homosexueller einsetzen.
    Dolmetscher halten sich im Hintergrund. Meistens haben sie ein großes Talent dafür, sich unsichtbar zu machen. Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die sieht man ständig im Fernsehen, zum Beispiel bei Staatsbesuchen. Aber kein Mensch würde sie auf der Straße erkennen. Es gibt da einen inzwischen schon älteren Herrn im Auswärtigen Amt, der dolmetscht da seit mehr als dreißig Jahren und ist häufig mit im Bild. Jeder, der sich mit diesem Beruf befasst, kennt ihn. Aber ich wette, dass er sonst noch nie jemandem aufgefallen ist, weil er sich einfach sehr geschickt unsichtbar macht.
    Das Bild des Dolmetschers hat sich sicher gewandelt mit den Jahren. Früher hatten viele noch eine ganz andere Rolle und waren für Politiker auch gleichzeitig Berater und enge Vertraute. Es gibt Fotos von illustren Männerrunden aus den Sechzigerjahren, da sitzen die Dolmetscher ganz selbstverständlich mit am Tisch und rauchen Pfeife - Titos Dolmetscher war so ein Fall.
    Inzwischen gehört es zum Berufsethos, diskret und unauffällig zu sein. Vielleicht sind deshalb sehr viel mehr
Frauen in diesem Beruf. Weil sich Frauen schon immer mehr mit Sprachen befasst haben, und weil Männern möglicherweise das Arbeiten im Hintergrund nicht so liegt.
    Viele nehmen mich in meinem Job ja einfach nur als die Stimme wahr, die aus dem kleinen Knopf im Ohr kommt. Ich dolmetsche viel auf Kongressen und Konferenzen, da sitzt man dann in einer schalldichten Kabine, hat Kopfhörer auf und ein Mikro vor sich. Für die Zuhörer ist man eigentlich gar nicht zu sehen, und viele machen sich wahrscheinlich keine großen Gedanken darüber, woher diese Stimme kommt oder zu wem sie gehört.
    Simultandolmetschen ist sehr anstrengend, angeblich ist es einer der Berufe, bei denen man sich am stärksten konzentrieren muss, gleich nach Astronaut und Kampfpilot. Länger als vierzig Minuten hält keiner durch, dann muss man eine Pause machen. Deshalb arbeitet man auch immer im Team und wechselt sich ab.
    Ich bin ja nicht einfach nur ein Papagei oder ein Sprachroboter, der nur in einer anderen Sprache wieder ausspuckt, was er hört. Ich muss auch inhaltlich verstehen, was gesagt wurde, ich muss es verarbeiten, analysieren und dann in kürzester Zeit übersetzen. Das ist eine Technik, die man im Studium lange üben muss, es reicht nicht, einfach nur eine Fremdsprache zu sprechen. Nicht jeder, der zweisprachig ist, kann auch dolmetschen.
    Natürlich automatisieren sich ein paar Dinge mit der Zeit, Floskeln oder Begrüßungen zum Beispiel. Aber bei allem anderen muss ich nachdenken. Ich muss Ironien
und Zwischentöne erkennen oder ob etwas zweideutig gemeint ist. Auch

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