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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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ganz anderes gelernt haben und nie im Callcenter arbeiten wollten. Da sind ein paar dabei, die sind so schüchtern, die könnten nicht mal bei McDonald’s an der Kasse stehen. Ist doch kein Wunder, dass diese Branche einen so schlechten Ruf hat. Wer sagt, er arbeitet im Callcenter, wird doch nur mitleidig angekuckt. »Oh, du arme Sau«, kriegt er dann zu hören. »Wohl nichts Besseres gefunden?«
    Â 
    In den rund 5 700 deutschen Callcentern arbeiten knapp 450 000 Beschäftigte. +++ Während die Callcenterbranche jährlich um rund 12% wächst, werden die Beschäftigten teilweise mit Stundenlöhnen von 5 bis 6 Euro abgespeist. +++ Die Mitarbeiter von Callcentern sind starken Belastungen ausgesetzt und stehen unter großem Zeit- und Erfolgsdruck. Teilweise müssen Agenten ohne Unterbrechung bis zu 20 Gespräche pro Stunde führen. +++ Rund 80 000 neue Stellen sollen in den nächsten Jahren noch entstehen.

»Die Alten werden bei der Pflege beschissen.«
    Ilona, 37 Jahre, Altenpflegerin, hat bei der Arbeit immer die Uhr im Blick - und ihren Fluchtweg aus der Wohnung.
    A ls Pflegerin bin ich für die Patienten alles: Herzchen, Prellbock oder auch mal der Arsch vom Dienst. Die meisten sind wirklich sehr lieb und dankbar. Aber natürlich sind auch mal ein paar Stoffel drunter, die mit so Sprüchen kommen wie: »Ihr Jungen, ihr habt ja noch gar nichts geleistet im Leben!«, die muss man sich dann eben ein bisschen erziehen.
    Manche Menschen können furchtbar anstrengend sein und sehr verbittert, das muss man dann so hinnehmen. In der Regel helfen da ein paar klare Worte, dann kommt man auch gut mit denen aus. Das sind Nüsse, die ich gern knacke. Es kommt schon vor, dass ich mal sagen muss: »Jetzt ist aber Schluss! Ich kann nichts für Ihre schlechte Laune. Hier haben Sie ein Kissen, boxen Sie da mal richtig rein!«
    Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer das ist, wenn man kein Ventil mehr für seine Wut hat. Und dann bekommt es eben die Pflegerin ab, sonst ist ja niemand da.
Manchmal finde ich das auch ganz gut, wenn die Patienten ein bisschen giftig sind. Da merke ich: Da ist noch Substanz, da ist noch Kampfgeist! Ich kann das gut verstehen: Jeden Tag latscht bei denen eine andere Pflegekraft durch die Wohnung, kommt einfach mit einem Schlüssel rein und verletzt deren Intimsphäre. Man darf nicht vergessen, dass man auch ein bisschen zu Gast ist bei den Leuten.
    Respekt ist in der Pflege das A und O, und es macht mich wütend, wenn ich mitbekomme, dass Leute diesen Job nicht mit Lust machen und respektlos sind. Ich gebe Pflegefortbildungskurse an einer Hochschule, und da sage ich den Schülern immer: »So, jetzt probiert ihr das mal aus. Legt euch mal da rein ins Bett, und jetzt komme ich und sage: ›Na, Oma, jetzt gehen wir mal Pipi machen. So, Oma, hier, friss die Tabletten. Und jetzt mal ausziehen, jetzt wird der Popo gewaschen.‹ Na, wie fühlt sich das an? Scheiße, oder? Wenn man kein Gefühl dafür hat, wie demütigend das sein kann, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, wird man auch kein guter Pfleger.«
    Manchmal sind mir die Alten lieber als die Jungen. Alte Menschen können unglaublich witzig sein, manche haben einen tiefschwarzen Galgenhumor. Die erzählen Storys, da rollen sich mir die Fußnägel hoch. Ich lache sehr viel bei der Arbeit. Und ich helfe gern. Ich liebe meinen Job auch deshalb, weil ich manchmal abends nach Hause komme und das Gefühl habe, heute dafür gesorgt zu haben, dass es jemandem besser geht.
    Es gibt sehr viele einsame alte Menschen, wo man
denkt: Die haben niemand mehr. Aber in den allermeisten Fällen gibt es da durchaus Verwandte oder Kinder. Da hat es dann mal vor Jahren einen Streit gegeben, und dann haben sich die Fronten so verhärtet, dass keiner mehr den ersten Schritt auf den anderen zu wagen will. Neulich hatte ich eine alte Dame, die sagte mir, dass ihr Bruder Geburtstag hat. Und ich frage sie: »Haben Sie ihn denn schon angerufen?« Und sie antwortet: »Nein, der ruft mich ja auch nie an!« Zwei sture Böcke, die deshalb seit Jahren nicht miteinander gesprochen haben. Also habe ich gesagt: »Jetzt seien Sie mal nicht so stur, wir rufen da jetzt zusammen an.« Und der Bruder hat sich total gefreut.
    Ich rufe auch bei den Kindern an und sage: »Hören Sie, ich weiß, Sie haben seit Jahren keinen Kontakt mehr mit Ihrer Mutter, aber sie liegt

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