Wo bitte geht's nach Domodossola
Gartenarbeit berichten. Ich verbrachte den Großteil eines Nachmittags und einen ganzen Abend damit, zwischen meinem Zimmer und dem Tisch hin-und herzulaufen und anhand dieser kurzweiligen Lektüre die Landeskultur zu studieren.
Besonders faszinierend fand ich eine Fortsetzungsreihe in der Neuen Revue – ich glaube, so hieß die Zeitschrift. Jede Woche wurde darin ein junges Paar vorgestellt; zum Beispiel ein Kfz-Mechaniker aus Duisburg namens Rudi und seine tolle Frau Greta, von Beruf Bibliothekarin. Jede Woche war es ein anderes Paar, aber alle sahen sie aus, als wären sie derselben Zahnpastatube entschlüpft. Alle waren sie jung und attraktiv, und alle hatten sie wohlgeformte Körper und ein strahlendes Lächeln. Zwei oder drei der Fotos zeigten das Paar bei der Ausübung ihrer täglichen Pflichten – Rudi, wie er mit einem Schraubenschlüssel in der Hand und einem breiten Lächeln auf den Lippen unter einem Lkw lag, Greta, wie sie im heimischen Supermarkt die tiefgefrorenen Hähnchen anstrahlte. Doch auf den restlichen Bildern durften wir zusehen, wie sich Rudi und Greta ohne einen Fetzen Stoff am Leib in ihrem Haus zu schaffen machen: wie sie gemeinsam das Geschirr spülen, sich über dem Herd einen Löffel Suppe teilen oder bäuchlings auf dem Plüschteppich liegen und Scrabble spielen.
Keines der Bilder hatte etwas offen Sexuelles an sich. Nie hatte Rudi einen Ständer – es machte ihm viel zu viel Spaß, das Geschirr abzutrocknen und die Suppe zu schlürfen. Er und Greta erweckten den Eindruck, als wäre jeder Moment ihres Lebens die reine Glückseligkeit. Sie strahlten in die Kamera, überglücklich, daß ihnen Nachbarn und Kollegen und die ganze Bundesrepublik Deutschland dabei zusahen, wie sie in den Kostümen von Adam und Eva Gemüse putzten und die Waschmaschine füllten. Und ich dachte darüber nach, was für sonderbare Leute doch die Deutschen sind. Viel mehr ist mir von meinem ersten Besuch in Köln nicht in Erinnerung geblieben, und während ich über den Domplatz schlenderte und auf die trostlosen Einkaufsstraßen hinabsah, begann ich zu fürchten, daß das auch so ziemlich alles sein könnte, dessen es sich zu erinnern lohnte. Schließlich stand ich zu Füßen der Kathedrale und schaute lange an ihr empor, beeindruckt von ihrer jäh aufragenden Masse. Das Bauwerk ist gewaltig: es mißt über 150 Meter in der Länge und über sechzig Meter in der Breite; seine Türme ragen fast so hoch in den Himmel wie das Washington Monument. 40000 Menschen finden darin Platz, und man begreift, warum die Bauarbeiten 700 Jahre gedauert haben – und das, obwohl es Deutsche waren, die daran arbeiteten. In Großbritannien wären sie noch immer dabei, das Fundament auszuheben.
Ich ging hinein und betrachtete eine halbe Stunde lang pflichtbewußt das Innenleben der Kathedrale. Ein Hochgefühl wie am Tag zuvor in der wesentlich kleineren Kirche in Aachen wollte sich jedoch nicht einstellen. Also ging ich wieder hinaus und trat an den Rand einer Terrasse mit Blick auf den Rhein, ein breiter, brauner Fluß voller Frachtkähne. Dann machte ich mich auf zur Hohen Straße, der bekanntesten Einkaufsstraße Kölns, eine lange, schnurgerade Fußgängerader und eine der beiden Straßen mit den höchsten Ladenmieten Europas (die zweite ist die Kaufingerstraße in München). Die Hohe Straße ist teurer als die Bond Street in London und die Rue du Faubourg St Honoré in Paris. Bernard Levin schwärmte von ihr in seinem Buch To the End of the Rhine, doch ich konnte keinen Unterschied zu all den anderen Einkaufsstraßen dieser Welt erkennen – eine Ansammlung von Warenhäusern im C&A-Stil, Schuhgeschäften, Plattenläden und Fachgeschäften für Kameras und Videorekorder. Es wimmelte von Samstagseinkäufern, und auch sie wirkten nicht besonders anspruchsvoll und waren bei weitem nicht so gut gekleidet wie die Einwohner von Aachen. Ebensogut hätte ich in Milton Keynes oder Doncaster sein können.
Vor dem Fenster eines der vielen Elektronikgeschäfte blieb ich stehen. Ich fragte mich, ob es wohl deutsche Produkte waren, die hier angeboten wurden. Aber nein, es waren dieselben japanischen Videorekorder und Kameras, die es überall zu kaufen gibt, mit Ausnahme eines einzelnen Diaprojektors von Grundig und ein paar anderer Relikte aus vorsintflutlichen Zeiten. Da ich in einer Welt aufgewachsen bin, die von amerikanischen Produkten beherrscht wurde, überkam mich noch bis vor kurzem regelmäßig ein patriotischer Groll, wenn ich
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