Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)
von Nasrin und dir gemacht habe, sind die eigentlich was geworden?«
»Ja«, sagte Barbara. Sie war gerade erst nach Hause gekommen, hatte ungläubig das Werk der Zerstörung betrachtet, als Robin auch schon vor ihrer Tür stand.
»Kann ich eine Kopie haben?«
»Wozu?«
»Nur so.« Sie waren schließlich das einzige, was ihm von Nasrin geblieben war, aber er hatte keine Lust, seine Gefühlslage zu erklären.
Barbara ging nach oben und verschwand in Hannes’ Arbeitszimmer. Robin sah sich inzwischen um. Die Küche trug noch immer Nasrins Handschrift. Gewürze waren nach Farben und Flaschen nach Größe sortiert. Sogar in den Schränken, die Robin neugierig öffnete, herrschte eine geometrische Ordnung. Die Gläser standen aufgereiht wie Soldaten, die Tassen flankierten artig die Kanne, das Besteck lag in Reihe.
Barbara kam nach einer Ewigkeit mit den ausgedruckten Fotos herunter und reichte sie Robin wortlos. Der vertiefte sich gierig in den Anblick.
Ein Bild war besonders gelungen. Es zeigte Barbara und Nasrin jeweils im Dreiviertelprofil, die Gesichter einander zugewandt. Barbara stand mehr im Licht, ihre langen, hellen Haare glänzten, man sah sogar den hellen Flaum auf ihrer linken Schläfe. Ihre stachelbeerfarbenen Augen leuchteten wie Glasmurmeln. Nasrins Gesicht war im Schatten, aber man erkannte ihre Züge trotzdem sehr deutlich, die elegant geprägte Nase, die gebogene Oberlippe, die mandelförmigen Augen, dunkel wie Ostfriesentee. Barbara lächelte auf dem Bild, Nasrin schaute etwas aufgeschreckt in die Kamera. Sie sah älter aus als neunzehn, das frisch gekürzte Haar betonte die Linie ihres Kinns und den schlanken Hals. Zwei völlig verschiedene Gesichter, und doch beide auf ihre Art schön, fand Robin und machte Barbara ein Kompliment.
»Warst du eigentlich heute morgen dabei, als Hannes mit ihr reden wollte?« fragte er.
»Nein. Ich mußte mich beeilen, ich war sowieso schon spät dran.«
»Aber du hast dich doch noch mit Klara unterhalten.«
Barbara seufzte. »Dann weißt du ja Bescheid.«
»Woran hast du gemerkt, daß sie gelogen hat?«
»Kleinigkeiten. Sie hat nie freiwillig etwas über sich erzählt, das fand ich seltsam. Und neulich, als der Artikel über die Gewalt an Schulen in der Zeitung stand, habe ich über die BBS 6 gesprochen, du weißt schon, die Berufsbildende Schule in Linden, die immer mal wieder in die Schlagzeilen gerät. Ich hatte den Eindruck, daß sie nicht wußte, wovon ich redete. Aber wer in Linden wohnt und in ihrem Alter ist, der muß die BBS 6 einfach kennen, meinst du nicht auch?«
Robin nickte. »Erinnerst du dich noch an Nasrins ersten Tag hier, als ich die Zeitungen gesucht habe?«
»Ja«, sagte Barbara und ließ sich müde auf den nächsten Stuhl sinken.
»Sie sind nicht wieder aufgetaucht, oder?«
»Ich weiß nicht, wieso?«
Robin griff in seine hintere Hosentasche und zog ein paar zusammengerollte Blätter Faxpapier hervor. »Das ist aus den Archiven der HAZ und der Neuen Presse. War gar nicht so leicht, da so schnell dranzukommen«, sagte er, als erwartete er ein Lob.
»Und?« fragte Barbara widerwillig. Sie hatte andere Dinge am Hals als alte Zeitungen.
»Den Sportteil und den Wirtschaftsteil habe ich weggelassen«, erklärte Robin. »Vielleicht fällt dir etwas auf. Irgendwas muß da stehen, was wir nicht lesen sollten.«
Barbara griff nach den Blättern und sagte dann: »Die sind ja vom Dienstag.«
»Ja, und?«
»Es waren aber die Zeitungen, die Mittwochmorgen geliefert werden sollten, die sie hat verschwinden lassen.«
»Es war nicht der Montag, an dem du sie aufgegabelt hast?«
»Nein, ganz sicher nicht. Da drüben am Kühlschrank hängt der Terminkalender, da steht das Bewerbungsgespräch drin.«
»Tatsächlich, der Dienstag«, sagte Robin fassungslos auf den Kalender starrend. »Dann war ja die ganze Zeitungsaktion für’n Arsch!« Er sah auf die Uhr. »Und jetzt ist es schon zwei, jetzt ist diese Halbtagstussi vom Archiv schon wieder weg. Oh, Scheiße! Wieso bin ich bloß auf Montag gekommen?«
»Weil Wochentage für dich keine Rolle spielen, du freier Künstler du.«
»Was soll das denn heißen? Meinst du, es macht Spaß, jeden Tag vor dem Bildschirm zu sitzen und auf den Urknall zu warten?«
Barbara dachte kurz darüber nach, dann sagte sie: »Ja. Jedenfalls mehr, als anderer Leute Gören zu bändigen, als Halbtagstussi , wie du es so charmant nennst.«
»Warum machst du es dann?«
»Ich habe nichts anderes gelernt. Frag mich
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