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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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tat, seine Unsicherheit deutlicher zum Ausdruck gebracht, als alle Worte es gekonnt hätten. Stefan verfluchte sich innerlich. Aber der Fehler war nun einmal gemacht. Besser, er konzentrierte sich darauf, nicht noch weitere zu machen.
    Seine Hände zitterten noch immer, während er daranging, Wasser in den
    Schnellkocher zu füllen und drei Löffel Kaffeepulver in den Filter zählte. Aber das Chaos hinter seiner Stirn legte sich allmählich. Vielleicht war es gar keine schlechte Idee gewesen, ihr einen Kaffee anzubieten. Zwei, drei Minuten Ruhe waren im Moment genau das, was er brauchte.
    Schon um mit der Panik fertig zu werden. Denn nichts anderes war es, was er spürte. Möglicherweise eine Art stiller Panik, bei der er nicht herumschrie oder einfach blindlings davonrannte, aber nichtsdestotrotz kalte Angst. Seine Gedanken rasten, ohne daß er auch nur zu einer einzigen vernünftigen Entscheidung gekommen wäre, und er wußte einfach nicht, was er tun sollte.
    Dabei hätte er strenggenommen damit rechnen müssen, daß so etwas geschah. Vielleicht nicht so schnell und vielleicht nicht auf diese seltsame Art, aber passieren mußte es. Sie hatten nicht ernsthaft damit rechnen können, in irgendeinem fremden Land ein Kind zu finden und es zu behalten, wie eine junge Katze, die ihnen zugelaufen war.
    Während er darauf wartete, daß der Wasserkocher seinen Inhalt erhitzte, ging er leise wieder zur Tür zurück. Er hatte sie angelehnt, aber einen fingerbreiten Spalt offengelassen, so daß er seine ungebetene Besucherin beobachten konnte, ohne daß sie es merkte. Sehr viel gab es allerdings nicht zu sehen, Sonja saß steif auf dem Sofa und hatte die Hände auf den Knien gefaltet; eine Haltung, die nicht nur klar machte, wie unwohl sie sich zu fühlen schien, sondern auch überhaupt nicht zu ihr paßte.
    Erneut fiel ihm auf, wie schön das Mädchen war. Vielleicht war »schön« nicht einmal das richtige Wort, denn objektiv betrachtet war sie das nicht einmal. Sie wirkte... exotisch, und sie sprach ihn auf eine Weise an, die ihn fast erschreckte.
    Mit großer Mühe verscheuchte Stefan diese ungewohnten Gedanken aus seinem Kopf und versuchte sich auf näherliegende Probleme zu konzentrieren. Zum Beispiel auf die Frage, wie er auf diesen Überfall reagieren sollte.
    Der Kaffeeautomat summte. Stefan trat zurück an die Anrichte, goß das kochende Wasser in den Filter und stellte Tassen, Zuckerschale und Milchkännchen auf ein Tablett, während er darauf wartete, daß das Wasser durch den Filter floß; alles viel umständlicher, als notwendig gewesen wäre, als hoffe er, daß diese banale Tätigkeit ihm half, auch wieder in sein gewohntes Denken zurückzufinden. »Das hat lange gedauert«, sagte Sonja, als er schließlich ins Wohnzimmer zurückkehrte und das Tablett vor ihr auf dem Tisch ablud. Stefan ignorierte ihre Worte, schenkte sich und ihr Kaffee ein und setzte sich, ehe er nach seiner Tasse griff und sagte:
    »Sie behaupten also, die Schwester des Mädchens zu sein. Ich nehme an, Sie können das beweisen?«
    »Beweisen?« Sonja blinzelte. Sie legte den Kopf schräg.
    Stefan nippte an seinem Kaffee, verbrühte sich die Lippen und die Zungenspitze und zog eine entsprechende Grimasse. »Sie werden irgendwelche Papiere bei sich haben, nehme ich an. Unterlagen, aus denen Ihre Identität hervorgeht. Einen Ausweis, zum Beispiel.«
    Sonja schüttelte den Kopf. »Euer Volk legt so großen Wert auf... Papiere. Dinge, die nicht nötig sind. Hatte Liddia Papiere bei sich, als ihr sie mitgenommen habt?«
    »Nein«, antwortete Stefan ruhig. Ganz allmählich fand er wieder zu seiner normalen Ruhe zurück. Vielleicht hatte ihn Sonja einfach nur durch ihr seltsames Äußeres und ihr noch seltsameres Betragen aus dem Konzept gebracht. Aber der Vorteil der Überraschung hielt nie lange an, und Stefan spürte, daß er allmählich wieder Oberwasser gewann. »Aber das war auch nicht nötig. Wir haben ein Kind gefunden, das sich offenbar in Lebensgefahr befand. In einer solchen Situation fragt man normalerweise nicht nach irgendwelchen
Papieren.«
    Für einen Moment blitzte die blanke Wut in Sonjas Augen auf, und Stefan verbuchte innerlich einen weiteren Punkt für sich. Offensichtlich war er dabei, das Gespräch auf eine Ebene zu bringen, auf der sie ihm unterlegen war, und ebenso offensichtlich schien Sonja das zu spüren. Er sah, daß sie zu einer scharfen Antwort ansetzte, es sich dann im letzten Moment doch noch anders überlegte und

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