You are not alone - Mein Bruder Michael Jackson (German Edition)
nahmen wir Songs auf wie „Take Good Care Of My Heart“, „If You Say My Eyes Are Beautiful“, „Sweetest Sweetest“ und die beiden unveröffentlichten Tracks „Don’t Look Any Further“ und „Someone For Me“. Bei jeder Session schauten wir uns tief in die Augen, standen Wange an Wange vor dem Mikrofon und versuchten unser Bestes, die Texte und die Songs mit viel Gefühl umzusetzen. Die intensive professionelle Beziehung machte vor unserem Gefühlsleben nicht Halt. Nach dem Ende einer emotionalen Gesangseinlage standen Whitney und ich ganz nahe vor dem Mikro, und sie fragte: „Na, und was willst du jetzt mit mir machen, Jackson?“, wobei sie mich mit einem verführerischen Blick fixierte. Mir blieb die Spucke weg. Dann schwebte sie davon.
Die folgenden Duette spielten sich zwischen Versuchung und verbotener Liebe ab. Bei den Sessions im Studio hatten wir das Gefühl, Zeit miteinander zu verbringen, die uns nicht gehörte. An den Aufnahmetagen kam ich mit Schmetterlingen im Bauch an, da mich das Erlebnis, in der Nähe von Whitney zu sein, berauschte. Ich musste mir insgeheim zugestehen, dass ich starke Gefühle für diese unvergleichliche Frau empfand, deren Herz so groß wie ihr Gesicht wunderschön war. Es fiel mir wegen all der Emotionen und der unausgesprochenen Leidenschaft zwischen uns zunehmend schwerer, Liebes-Duette mit ihr zu singen. Ich sprach mit niemanden darüber, bis Michael eine unschuldige Frage stellte. „Und wie läuft es so mit Whitney?“ Er erinnerte sich an meine Vorhersage, dass „sie ein Weltstar werde, wenn die Leute erst mal ihre Stimme hörten“.
„Wir kommen gut miteinander aus“, antwortete ich ihm mit einem Lächeln.
„Du magst sie?“
„Ja, ich mag sie.“ Ich lächelte immer noch.
„Oh, du magst sie wirklich !“, meinte er mit einem Kichern.
„Ich mag sie wirklich .“ Diesmal ohne Lächeln.
Michael wurde ganz aufgeregt. „Du hast dich in sie verliebt.“
„Ich darf mich nicht verlieben“, entgegnete ich. „Ich bin verheiratet.“ Das war eine absichtliche Lüge. Ich steckte in der Zwickmühle, einerseits meine Gefühle ausdrücken zu wollen und andererseits auf seine Lage Rücksicht nehmen zu müssen, denn damals war Michael noch ein überzeugtes Mitglied der Zeugen Jehovas. Vermutlich wollte ich ihn nicht enttäuschen, denn lange Zeit stellte ich für meinen Bruder ein Musterbeispiel des treuen und treusorgenden Ehemanns dar. Ich kann mich nicht mehr an die genauen Worte des sich daraufhin entwickelnden Gesprächs erinnern, doch für einen Mann, der auf diesem Gebiet noch nicht sonderlich viele Erfahrungen gesammelt hatte, verfügte er über das Wissen eines Weisen. Er versuchte nicht, die Verlockung weiter anzuheizen, wie es einige Typen gemacht hätten, sondern erinnerte mich an Hazel und an meine Familie. Daran, dass ich mich nicht von den augenblicklichen Gefühlen verleiten lassen sollte. Er gab mir den wohl vernünftigsten Ratschlag der Welt, und mir wurde klar, dass ich schließlich „die richtigen Konsequenzen“ ziehen musste.
Auch Clive Davis zeigte sich als wahrer Freund. „Wie läuft es so bei dir und Whitney? Alles in Ordnung, Jermaine?“, fragte er. Er wusste mehr, als er vorgab, und sagte, dass seine Tür immer für mich offen stehe, woraufhin er mich umarmte und aus Spaß in die Wange kniff. Whitney und ich redeten endlose Stunden über unsere Situation. Obwohl ich am liebsten meinen Gefühlen freien Lauf gelassen hätte, bat ich sie zu warten. Ich verwendete Worte wie „eines Tages“ und „vielleicht“. Schließlich gingen wir getrennte Wege, was für uns unglaublich schmerzhaft war, obwohl es eine richtige und vernünftige Lösung bedeutete.
Ich glaube nicht, dass jemand schließlich mehr jubelte, als Whitney zum erfolgreichsten Debüt-Album aller Zeiten wurde und nach der Veröffentlichung 1985 weltweit 16 Millionen Einheiten verkauft wurden, als ich. Zwei Jahre später machte sie das Folgealbum dann übrigens zur ersten weiblichen Künstlerin, deren Album direkt auf den ersten Platz der Charts schoss.
Nach dem Ende der Plattenaufnahmen sahen wir uns einige Jahre nicht. Sie traf aber Michael zu einigen Anlässen: backstage bei einem ihrer Konzerte in New York und dann wieder 1988, als sie Quincy Jones auf der Bühne assistierte, der Michael den Ehrendoktortitel der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Fisk University verlieh. Ich sah Zeitungsfotos der beiden, und mir fiel die Ironie der ganzen Situation auf.
1985
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