Zeit der Rache: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
entfernt«, sagte er. »Und Sie sind nach wie vor ein blöder Scheißkerl.«
McGuire trat ebenfalls einen Schritt vor, hielt sich mit beiden Händen an den Stäben fest und musterte ihn gleichgültig. Reacher trat weiter vor.
»Jetzt bin ich nur noch dreißig Zentimeter vom Gitter entfernt, genau wie Sie«, verkündete er. »Und Sie sind immer noch ein blöder Scheißkerl.«
McGuire nahm die rechte Hand vom Gitterstab, ballte sie zur Faust und stieß mit dem ganzen Arm zu, wie mit einer Pleuelstange, zielte auf Reachers Kehle. Reacher erwischte ihn am Handgelenk, riss den Arm zur Seite, so dass die Faust seinen Kopf verfehlte, und warf sich mit aller Kraft zurück, worauf McGuire innen gegen die Gitterstäbe krachte. Reacher verdrehte ihm das Handgelenk, tat einen Schritt nach links und bog den Arm nach hinten.
»Sehen Sie jetzt, wie blöde Sie sind. Wenn ich noch einen Schritt weitergehe, breche ich Ihnen den Arm.«
McGuire keuchte vor Schmerz auf. Reacher lächelte kurz und ließ das Handgelenk los. McGuire starrte ihn an, zog den Arm zurück und rollte mit der Schulter, um festzustellen, ob irgendetwas verletzt war.
»Was wollen Sie?«, fragte er wieder.
»Soll ich die Zellentür öffnen?«
»Was?«
»Die Schlüssel sind da drüben. Soll ich die Zellentür aufmachen, damit die Sache etwas ausgeglichener ist?«
McGuire kniff die Augen noch enger zusammen. Er nickte. »Ja, machen Sie die verdammte Tür auf.«
Reacher ging weg, nahm den Ring mit den Schlüsseln vom Knauf der Korridortür und sah sich einen nach dem anderen an, bis er den richtigen fand. Er hatte schon so viele Zellenschlüssel in der Hand gehabt, dass er auch mit verbundenen Augen den richtigen erwischt hätte. Er kehrte zurück und schloss die Tür auf, öffnete sie weit. McGuire stand reglos da. Reacher entfernte sich und hängte den Schlüsselring wieder an den Türknauf. Blieb mit dem Gesicht zur Tür stehen, den Rücken der Zelle zugewandt.
»Setzen Sie sich!«, rief er. »Ich habe den Hocker extra für Sie dort stehen lassen.«
Er spürte, dass McGuire aus der Zelle trat. Hörte seine bloßen Füße auf dem Zementboden. Hörte, wie er stehen blieb.
»Was wollen Sie?«, sagte McGuire erneut.
Reacher kehrte ihm weiter den Rücken zu. Horchte gespannt, ob McGuire näher kam. Nichts geschah.
»Es ist nicht ganz einfach«, erklärte er. »Sie müssen mit ein paar Faktoren zugleich jonglieren.«
»Was für Faktoren?«, fragte McGuire verständnislos.
»Faktor eins ist, dass ich inoffiziell hier bin, okay?«
»Was soll das heißen.«
»Verraten Sie’s mir.«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte McGuire.
Reacher drehte sich um. »Das heißt, dass ich weder ein MP noch bei der Polizei bin. Genau genommen bin ich überhaupt nichts.«
»Na und?«
»Und daher kann man mich nicht belangen. Kein Disziplinarverfahren, keine Pensionskürzung, gar nichts.«
»Na, und?«
»Wenn Sie also hinterher auf Krücken gehen und Ihr Essen künftig mit dem Strohhalm zu sich nehmen müssen, kann mir keiner was anhaben. Außerdem gibt’s hier drin keine Zeugen.«
»Was wollen Sie?«
»Faktor zwei ist, dass ich Ihnen schlimmer zusetzen kann als Ihr oberster Boss, egal, womit er Ihnen gedroht hat.«
»Was für ein oberster Boss?«
Reacher lächelte. McGuire ballte die Fäuste, spannte den Bizeps, ließ die Muskeln der breiten Schultern spielen.
»Jetzt wird’s kompliziert«, meinte Reacher. »Sie müssen genau aufpassen, denn jetzt kommt Faktor drei. Wenn Sie mir den Namen von dem Typ verraten, wird er irgendwo anders eingebuchtet, und zwar für immer. Wenn Sie mir seinen Namen nennen, kann er Ihnen also nichts anhaben. Niemals, haben Sie das verstanden?«
»Was für einen Namen? Was für ein Typ?«
»Der Typ, dem Sie die Hälfte Ihrer Beute abtreten.«
»Den gibt’s nicht.«
Reacher schüttelte den Kopf. »Darüber sind wir schon hinaus, okay? Wir wissen, dass es diesen Typ gibt. Zwingen Sie mich also nicht dazu, Sie zu vermöbeln, noch bevor wir zum wichtigsten Teil kommen.«
McGuire spannte die Muskeln an. Atmete schwer. Dann beruhigte er sich etwas. Ließ die Schultern leicht hängen und kniff wieder die Augen zusammen.
»Nun passen Sie auf«, begann Reacher. »Sie glauben, dass es Ihnen dreckig geht, wenn Sie ihn verpfeifen. Aber Sie irren sich. Sie müssen vielmehr begreifen, dass Sie in Sicherheit sind, wenn Sie ihn verpfeifen, und zwar Ihr Leben lang, weil man ihn wegen ein paar Sachen sucht, die weitaus schlimmer sind als eine
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