Zenjanischer Lotus (German Edition)
sieh mich nicht an, als wärst du als Kind auf den Kopf gefallen. Du hast mich verstanden. Wir müssen aufhören, das Lager miteinander zu teilen.
Aufhören, Zeit miteinander zu verbringen. Aufhören, zuzulassen, dass sich etwas ... Du weißt, was ich meine.“ Er lehnte den Kopf an die Wand. „Mach es dir nicht
schwerer als es ist. Du kannst mich nicht haben.“
Ungläubig schloss Sothorn die Faust um das Laken. Ihm fehlten die Worte. Nicht zuletzt, weil die Luft aus seinen Lungen wich.
Als er endlich sprechen konnte, war er zu aufgewühlt, um sich über sein Stammeln zu ärgern: „Und ... das entscheidest du? Nachdem wir ... Du ... Ist es das,
was du mir sagen willst? Dass du das Interesse verloren hast? Vor zwei Nächten ... bist du zu mir gekrochen. Und jetzt ... willst du nicht mehr? Gar nichts mehr?“
„Genau. Sothorn ... Es hat gut getan, dich im Bett zu haben. Wir hatten beide Freude daran. Aber ich habe dir immer gesagt, dass du nichts von mir zu erwarten hast. Es endet hier. Und
nun sei so gut und lass mich allein. Ich habe weitere Vorbereitungen zu treffen.“
Fausthiebe hätten Sothorn nicht härter treffen können. Das Gefühl schwellenden Innenlebens sackte innerhalb eines Atemzugs in seine Knie. Magen und Gedärm schienen dem
Meeresboden entgegen zu streben, seine Lunge faltete sich in seiner Brust zusammen und machte das Atmen zu einem Kampf.
Im hintersten Winkel seines Verstandes dachte ein Teil von Sothorn, dass es interessant war, welch durchschlagende Wirkung das Sterben von Hoffnung auf den Körper haben konnte. Wie
geschüttelt und verprügelt er sich fühlte, obwohl Geryim nicht Hand an ihn gelegt hatte.
Er wollte diskutieren. Er wollte sein Recht einfordern. Er wollte eine bessere Erklärung. Überhaupt etwas, dass als Erklärung ernst zu nehmen war.
Ungehörte Warnungen kamen ihm in den Sinn. Das Bild von Geryim, der Menschen benutzte und fallen ließ, wenn er sie nicht mehr brauchte, trat aus den Schatten und verfinsterte Sothorns
Sichtfeld.
Als er eintrat, war ihm der Raum einladend erschienen. Gemütlich geradezu in seinem Halbdunkel. Ein guter Ort, um sich ineinander zu verlieren.
Geblieben war ein erbärmlich enges, dunkles Zimmer, das er mit Freuden gegen eine Zelle eingetauscht hätte.
Auf einmal wünschte Sothorn sich, zuhause zu sein. Zuhause in seinem Kerker in den Felsen, zwischen feuchten Decken und rostenden Fackelhalterungen, als einzige Gesellschaft die Ratten, mit
denen er sein karges Essen teilte.
Mit bleiernen Knochen stand er auf. Jede Bewegung war ungelenk. Ein alter Mann. Gern hätte er Geryim angeschrien und ihm Vorwürfe gemacht. Aber er wusste, dass er kein Recht dazu
hatte. Er war gewarnt gewesen. Es hatte keine Versprechungen gegeben. Und wichtiger als das: Sothorn wollte mit einem Rest von Würde gehen.
Er wollte sich nicht anmerken lassen, dass sein Stolz in Scherben lag oder dass er Geryim anflehen wollte, sich ihm zu erklären. Dass er wissen wollte, was er falsch gemacht hatte.
Hatte er etwas falsch gemacht? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es war nicht länger wichtig.
An der Tür angekommen holte ihn der Zorn ein. Er tippte ihm von hinten auf die Schulter, als wolle er fragen: „Willst du wirklich so gehen? Ohne zurückzuschlagen? Ohne ihn wissen
zu lassen, was in dir vorgeht? Ohne ihn auf seinen Platz zu verweisen?“
Seine Hand schmiegte sich um das Gusseisen des Riegels. Wie eine Waffe legte er sich in die Schwielen seiner Finger; vertraut und unheimlich in seinem Eigenleben.
Sothorn straffte den Rücken und zwang sich, sich nicht umzudrehen.
„Deine Entscheidung. Du musst wissen, was du willst“, sagte er und fühlte sich taub. „Aber wenn es dir das nächste Mal schlecht geht, komm nicht auf die Idee, an
meine Tür zu klopfen. Sieh zu, wie du zurechtkommst. Von mir aus kannst du in deiner Einsamkeit verrecken.“
Er hörte Geryim geräuschvoll einatmen und bereute seine Worte. Bereute sie wie das Gift, das sein erstes Opfer getötet hatte. Und doch konnte er sie nicht zurücknehmen. Sie
waren das Einzige, was zwischen ihm und dem Verlust seines Gesichts stand.
Wie ein Schlafwandler hob er den Riegel. Die Tür knarrte in ihren Angeln.
Sothorn stand mit einem Fuß im Flur, als er seinen Namen hörte. Er konnte sich nicht umdrehen. Irgendetwas in ihm würde zerbrechen, wenn er sich zu Geryim umsah.
Wälle, Dämme, das schmerzende Ding seiner Brust.
„Sothorn.“ Dieses Mal lauter. Und dann: „Wenn es dich
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