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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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aber Stolan schnitt ihm mit einer schroffen Geste das Wort ab. Stattdessen legte er eine Hand auf Sothorns gestreckten Bauch, als wisse er, wie unangenehm
diesem seine Berührung war.
    „Nun, Enes ist ein klügerer Kopf als du. Er hat sich gefragt, warum er ein namenloses Gesicht in einer Gruppe Menschen sein soll, wenn er auch der Kopf der Schlange sein kann. Er hat
sich gefragt, warum die Bruderschaft in einer Ruine ihr Dasein fristen soll, wenn sie sich ebenso gut einem reichen Herrn unterwerfen kann. Und vielleicht hat er sich gefragt, woher eure
Anführer sich das Recht nehmen, den Lotus zu rationieren.“ Stolans Stirn lag in tiefen Falten, als dächte er über Enes‘ Fragen nach. „Und er hat recht, weißt
du? Die Bruderschaft ist eine mächtige Waffe. Zu mächtig für meinen Geschmack. Es sei denn, man kann sie kontrollieren. Und ich werde sie kontrollieren – oder sie
vernichten.“
    „Wir“, verbesserte Enes. „Wir werden sie kontrollieren oder vernichten.“
    Stolan deutete eine kleine Verbeugung an und nickte dem Verräter zu: „Richtig. Wir.“
    „Du brauchst dir übrigens keine Hoffnungen zu machen, dass zufällig jemand vorbeikommt“, ergänzte Enes. „Ihr seid alle schrecklich nachlässig geworden. So
leicht zu manipulieren. Du trägst nicht einmal mehr deine Waffen, du argloser Narr. Ein Hinweis hier, eine falsch überbrachte Nachricht dort, und schon war sichergestellt, dass heute
niemand den Wald betreten wird. Nicht einmal der stinkende Roaq wird seinen Weg hierher finden. Du bist ...“, er grinste zufrieden, „... allein.“
    Stumm schielte Sothorn zu Enes empor. Er konnte, wollte nicht glauben, was er hörte. Er suchte in dessen Gesicht nach einem verschwörerischen Zwinkern, nach einem feinen Lächeln,
einem Hinweis, dass es Stolan war, der in die Falle ging. Nicht anders herum.
    Aber da war nichts. Nichts außer unverhohlenem Machthunger und dem naiven Glauben, dass Enes gewann, wenn er sich auf Stolans Seite schlug.
    Sothorn wusste es besser. Er kannte Stolans perfiden Geist. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er ein Instrument wie die Bruderschaft einem anderen überließ. Viel mehr glaubte er,
dass Enes ein Werkzeug war, dass der Handelsherr entsorgen würde, wenn er es nicht mehr brauchte.
    Während Sothorns Gedanken dahinrasten, übermannte ihn plötzlich die Gewissheit, dass es zu spät war. Er wusste nicht, was Enes unternommen hatte, um das Eintreffen Stolans
mit seinen Männern zu verbergen. Aber er zweifelte nicht daran, dass er ganze Arbeit geleistet hatte. Er war zu klug, um etwas dem Zufall zu überlassen.
    Es ging dem Ende entgegen. Seinem und dem Leben all derer, die ihm in den vergangenen Monaten wichtig geworden waren.
    Sothorn schloss die Augen und sah ihre Gesichter vor sich. Er sah Theasa an seinem ersten Tag in der Festung an seinem Bett auftauchen. Er sah Janis mit nachdenklicher Miene am Feuer sitzen. Er
erinnerte sich an die Abende am Feuer, hörte Ranaias Gelächter, lauschte Shahims Geschichte, roch sogar Szapreys scharfen Tiergeruch.
    Und er sah Geryim. Grübelnd am Heck der
Henkersbraut
. Wütend nach Möbeln tretend. Im zärtlichen Zwiegespräch mit Syv. Über ihm thronend, während die
Leidenschaft sein Gesicht in eine animalische Maske verwandelte.
    Sothorn war nach Schreien zumute. Vor Angst, vor Wut, vor Sehnsucht. Weil er ihn noch einmal sehen wollte. Weil er nicht wollte, dass Geryim und den anderen etwas zustieß.
    Wieder wehrte er sich gegen den Griff der Riemen, schaukelte hilflos umher. Wohl wissend, dass es nutzlos war, sich loszureißen.
    Er war unbewaffnet. Sie würden ihn einfangen, bevor er mehr als drei Schritte getan hatte.
    Er hörte Stolan etwas sagen. Eine Frau, die in Sothorns Rücken stehen musste, antwortete ihm respektvoll. Bewegung um sie herum.
    Enes tätschelte die Unterarmklinge, die er erobert hatte. Er führte sie zum Mund und roch daran, als wittere er das Blut, das damit vergossen worden war.
    Sothorn entfernte sich innerlich. Er wollte nicht an diesem Ort verweilen. Wollte nicht in seinem Körper sein, wenn sie ihn qualvoll hinrichteten.
    Er presste das Kinn auf die Brust und blickte in die Baumkronen. Azurblauer Himmel blinzelte durch die Blätter, von denen sich die ersten gelblich-braun verfärbten und den Herbst
ankündigten.
    Ein guter Tag zum Sterben, sagte er sich.
    Nein. Nein!
    Sothorn versuchte seine Angst zu zügeln, aber sie belagerte jeden seinen Gedanken. Er konnte nicht dankbar sein, dass

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