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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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den Fels schäumte –, und Staub und Spinnweben bevölkerten
Türbögen und Wände. Ein Rascheln am Rand seiner Wahrnehmung ließ vermuten, dass sie nicht die Einzigen waren, die diesen Teil der Festung für sich in Anspruch nahmen.
    Niemand sprach. Seine Begleiter schienen ebenso angespannt wie er selbst, und das tat gut. Es war eine Form von stummer Unterstützung. Sie wussten, was sie ihm zumuteten und respektierten
seinen Schritt.
    Als sie um eine Ecke bogen, verharrte Sothorn überrascht. Vor ihm öffnete sich ein grob behauener Tunnel, an dessen Ende eine steinerne Tür offen stand und auf ihn wartete.
Entlang der Wände, einen zweiten, menschlichen Tunnel bildend, stand die Bruderschaft Spalier.
    Er wusste nicht, ob es alle waren. Aber es waren viele. Männer, Frauen und selbst die Kinder, die er im Gemeinschaftsraum gesehen hatte. Insgesamt waren es über zwanzig Personen, die
ihm entgegen sahen.
    Einige wenige Gesichter erkannte er. Ranaia, die Nixe, die versucht hatte, ihn in der Grotte ins Wasser zu locken, kniete neben einem blonden Mädchen, das kaum alt genug war, um auf seinen
wackeligen Beinchen zu stehen. Sie nickte ihm mit erhobenem Kinn zu, als wolle sie ihn anfeuern.
    Sothorn sah Enes wieder, der ihm mit einer Mischung aus Scheu und Mitgefühl entgegen lächelte.
    Geryim war nicht unter ihnen.
    „Sie sind hier, um dir Glück zu wünschen“, flüsterte Theasa ihm ins Ohr.
    Er ruckte mit dem Kopf, obwohl der Menschenauflauf ihm das Gefühl gab, auf dem Weg zu seiner Hinrichtung zu sein.
    Der Vergleich war nicht falsch. Wenn er durch diese Tür trat, würde Sothorn sterben. Allerdings mit der Option, dass ein neues Leben begann, was man nach einer Begegnung mit Henker und
Strick nicht von sich behaupten konnte.
    Sothorn stieß hart den Atem durch die Nase aus und ging vorwärts. Sie berührten ihn. Fremde Hände, die sich auf seine Schultern und Oberarme legten. Ihn klopften wie ein
Pferd. Kurz nach seiner Hand griffen und seine Finger drückten.
    Anfangs waren ihm ihr stummer Beistand unangenehm, doch als er das Ende der Reihe erreichte, kribbelte es in seinem Rücken, und er fühlte sich stärker.
    Die Zelle, in die sie ihn führten, konnte ihn nicht schrecken. Im Gegensatz zu der groben, aber freundlichen Einrichtung seines Zimmers auf der oberen Ebene handelte es sich um einen leeren
Raum. Jemand hatte mit viel Gewalt und wenig Geschick das Fenster vergittert. An der rechten Wand lag ein Haufen duftendes Stroh, daneben zwei gefaltete Decken. Es gab keine Möbel, keinen
Schmuck an den Wänden, keine Verstrebungen unter der Decke, keine Lebensmittel, die auf ihn warteten. Entsprechend schnell fiel Sothorn das runde Loch unter dem Fenster ins Auge. Es war nicht
groß genug, um hindurchzufallen, aber doch auffällig; zumal man den kahlen Berghang darunter sehen konnte, wenn man einen Blick hineinwarf.
    Janis räusperte sich, um seine Aufmerksamkeit zu erhaschen: „Es sieht aus wie eine Gefängniszelle.“
    „Ich bin Schlimmeres gewohnt“, beeilte Sothorn sich zu sagen.
    „Das mag sein, aber du solltest wissen, warum wir dich hier einquartieren. Niemand von uns kann dich Tag und Nacht vor dir selbst schützen. Wir können dir nichts in die Hand
geben, mit dem du dich verletzten könntest. Wir kommen jeden Tag zu dir und bringen dir dein Essen. Aber wir können kein Geschirr in diesem Raum lassen; nicht einmal einen Krug mit
Wasser. Und auch keinen Eimer für deine Notdurft.“
    Schaudernd nickte Sothorn. Er konnte von Glück sprechen, dass sie daran gedacht hatten, ein Loch in den Fels zu schlagen. Alles andere wäre nach wenigen Tagen unappetitlich
geworden.
    „Leider können wir dir auch nichts zur Zerstreuung anbieten. Alles, wirklich alles, kann zur Waffe werden. Du glaubst nicht, was unsere Kandidaten schon alles getan haben, um sich zu
töten oder zu betäuben“, fügte Theasa hinzu. „Aber glaub mir, nach den ersten zwei oder drei Tagen hast du ohnehin andere Sorgen als die Langeweile.“
    Es klang brutal, aber Sothorn wusste, dass sie recht hatte. Ein Albtraum erwartete ihn. Und es half ihm nicht, wenn sie ihn schonten, indem sie ihn in dem Gefühl ließen, der Entzug
wäre leicht.
    „Wir lassen dich nicht allein. Wir kommen dich besuchen und tun alles, um es dir leichter zu machen. Und einer von uns wird dir besonders zur Seite stehen. Das ist unsere eigene, kleine
Tradition.“ Janis hob die Stimme: „Geryim, kommst du bitte herein?“
    Ungläubig fuhr Sothorn

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