Zenjanischer Lotus (German Edition)
auf dem Absatz herum, als der Wargssolja mit ekelhafter Gelassenheit im Türrahmen auftauchte: „Was ... er?“
„Ja, ich. Glaube mir, mich hat auch niemand gefragt, ob ich von der Idee begeistert bin“, gab Geryim zurück und tätschelte das Gefieder seines Blauschwanzadlers, der bequem
auf seiner Schulter hockte.
Ungehalten knirschte Sothorn mit den Zähnen. Was dachten Theasa und Janis sich dabei, ihm ausgerechnet den Mann zur Seite zu stellen, der keinen Hehl aus seiner Abneigung zu ihm machte?
Einen Mann, dem er nicht verziehen hatte, dass er ihn aus dem Hinterhalt angriff.
„Was, wenn ich ihn nicht hier haben will?“, fragte er heiser. Der Gedanke, dass Geryim in seiner Nähe war, wenn er sich unter Krämpfen am Boden wand, war
beschämend.
„Dann müssen wir dir sagen, dass dies einer der wenigen Punkte ist, in dem wir dir keine Wahl lassen“, sagte Janis fest. „Du wirst ihn brauchen. Und für euch beide
ist es gut, wenn ihr euch aneinander gewöhnt. Ihr seid jetzt Brüder.“
Ja, aber auch seine Geschwister muss man nicht gern haben, dachte Sothorn, während er sich bemühte, das aufkeimende Gefühl von Hilflosigkeit zu verdrängen.
Sie hatten die Entscheidung über seinen vernebelten Kopf gefällt, und er musste dafür büßen. So, wie er Geryim bisher erlebt hatte, musste er froh sein, wenn er ihm das
Leben nicht noch schwerer machte.
Sothorn konnte diese Angelegenheit alleine durchstehen. Ob er das wollte, war eine andere Frage. Aber er wollte nicht, dass ihn jemand vor Schmerzen schreien sah, der ihn verabscheute.
„Wird er die ganze Zeit über hier sein?“, fragte er kühl.
„Nein, werde ich nicht. Und du darfst mich ruhig direkt ansprechen.“
Sothorn verzog das Gesicht zu einer Grimasse und blickte den Wargssolja an: „Welch Ehre. Feigling.“
„Bastard.“
„Narren, alle beide“, verdrehte Theasa die Augen und zog an Janis‘ Ärmel. „Wir verabschieden uns. Bringt euch nicht um.“
Der Grauhaarige wandte sich Sothorn noch einmal zu: „Wir sind immer da. Auch, wenn es dir nicht so vorkommt. Alles, was wir tun, tun wir, damit es dir hinterher besser geht. Versuche das
nicht zu vergessen. Viel Glück und mögen die Götter ihre schützende Hand über dich halten.“
Die Tür fiel zu, und sie waren allein. Nachdenklich lauschte Sothorn dem Scharren der Riegel, die in ihre Aufhängungen geschoben wurden. Sperrte man sie ein?
„Einer von uns hält auf dem Flur Wache. Für den Notfall und damit ich ein- und ausgehen kann“, beantwortete Geryim die nicht gestellte Frage.
Sothorn drehte sich zu ihm und schloss unruhig die Finger zur Faust, öffnete sie, schloss von Neuem. Nicht wissend, wie er mit seinem unwilligen Leidensgenossen umgehen sollte, glitt sein
Blick an dem tätowierten Gesicht und den bohrenden Augen ab.
Für einen Moment fragte er sich, ob er den Entzug unter diesen Umständen wollte. Einen Wimpernschlag lang sehnte er sich nach der Fäulnis in Stolans Keller; nach den vertrauten
Geräuschen und dem Gefühl, dass seine Haut sich unter der Berührung der klammen Decken wand.
Nicht wissend, wie er mit den Bedingungen seines Exils umgehen sollte, strebte er auf den Strohhaufen zu und schob ihn mit den Füßen zurecht, bevor er sich setzte. Der Untergrund war
weich, und er würde gut darauf schlafen können.
Geryim nahm seinerseits Platz, wenn auch an der gegenüberliegenden Wand. Er öffnete leicht die Beine, sodass Syv einen Platz dazwischen fand. Der Adler schwankte und wandte aufgeregt
den Kopf, um seine Umgebung zu erfassen.
Sie schwiegen.
Sothorn spielte mit dem Stroh, flocht gelangweilt zerbrechliche Gewebe, die zerfielen, sobald er sie auf den Steinboden legte. Er spürte den Blick des Wargssolja auf sich lasten und fragte
sich, warum sie ausgerechnet ihn ausgesucht hatten. Es war offensichtlich, dass Geryim ihn nicht leiden konnte.
Allerdings musste Sothorn zugeben, dass er mittlerweile verstand, warum Geryim ihn aus der Entfernung angegriffen hatte. Der Wargssolja durfte ihn nicht töten und musste damit auf seine
geschicktesten Angriffe verzichten. Dennoch: Wenn er es richtig angefangen hätte, hätte er Sothorn von Mann zu Mann besiegt.
Um Geryim nicht ansehen zu müssen, konzentrierte Sothorn sich auf den Adler. Mit seinem weißen Verband und dem torkelnden Gang sah Syv traurig aus. Ein Adler gehörte in die
Weiten des Himmels, sollte im Sturzflug auf seine Beute zujagen und nicht verloren am Boden hocken, seiner Fähigkeit
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