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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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über die Lippen. Kein Krug, kein Teller durfte im Raum bleiben. Sie hatten es ihm gesagt, aber er hatte es nur am Rande registriert.
    Er verzog das Gesicht. Er konnte nur hoffen, dass sie gut auf ihn achtgaben und es ehrlich mit ihm meinten. Es wäre ihnen ein Leichtes, ihn in diesem Kerker verdursten zu lassen.
Letztendlich wusste er nicht, was er von der Bruderschaft zu erwarten hatte. Vielleicht war er Teil eines Spiels, dessen Regeln er nicht kannte.
    Mit überschlagenen Beinen saß er im Stroh und strich prüfend über seine Arme. Unterhalb des rechten Handgelenks, entlang des Unterarms bis hoch zum Ellenbogen war die Haut
taub. Sein Daumen hing wie ein Fremdkörper an seiner Hand. Leblos. In diesem Zustand hätte man ihn aus dem Gelenk drehen können, ohne dass Sothorn Schmerzen empfand.
    Im Verlauf des vergangenen Jahres hatte er sich damit abgefunden. Mit dem körperlichen Verfall, dem Verlust der Kontrolle über seine Gliedmaßen. Mit seinem bevorstehenden Tod. Er
hatte innerlich abgeschlossen.
    Entsprechend war es nicht leicht, in aller Konsequenz zu realisieren, dass sein Schicksal eine Wendung genommen hatte. Er befand sich mitten in der Veränderung und wurde das Gefühl
nicht los, dass er nicht bereit war.
    Ständig musste er sich bewusst daran erinnern, dass ihn ein neues Leben erwartete. Selbstbestimmung bis zu einem gewissen Punkt. Eine Existenz jenseits der Kellerräume seines Herrn.
Ohne die Klaue des Zenjanischen Lotus um seinen Geist.
    Gerade letzteres war unvorstellbar. Sothorn kam der Gedanke, dass er gar nicht wusste, wer er ohne die Droge war.
    Welche Pfade würden sich ihm eröffnen? Welche Pflichten, welche Privilegien?
    Janis behauptete, es wäre mehr als ein Überleben. Aber wie Sothorn sich seine Zukunft vorzustellen hatte, wusste er nicht.
    Er träumte nicht mehr. Dafür war er als Kind zu oft enttäuscht worden. Aber es gab Kleinigkeiten, die er sich erhoffte. Bescheidene Dinge. Ein trockenes Bett, ein Zuhause, ein
voller Magen und ab und an die Gesellschaft anderer Menschen waren Teil davon.
    Darüber hinaus war und blieb er ein Assassine, der Aufträge erfüllte und eines Tages auf einen unüberwindbaren Gegner treffen würde.
    Sein Tod war nicht aufgehoben, nur auf einen unbekannten Zeitpunkt verschoben worden.
    Sothorn hob den Kopf. Er hörte Geräusche vor der Tür; leise Stimmen, die miteinander lachten. Melodiös und rau zugleich.
    Kurz darauf schob Geryim sich mit einem Tablett in den Raum. Er nickte Sothorn knapp zu und reichte ihm seine Mitbringsel.
    Warmer Eintopf, frisches Brot und Wasser. Endlich.
    Gierig griff Sothorn nach dem tönernen Krug und trank ihn zur Hälfte leer, während Geryim sich an seinem angestammten Platz an der Wand niederließ und schweigend die Beine
ausstreckte.
    Sie tauschten einen Blick miteinander aus, der Sothorn fast bereuen ließ, sich eine Abwechslung von seiner Langeweile gewünscht zu haben. Die Raubvogelaugen Geryims hatten etwas
Lauerndes an sich, das ihn unbewusst die Muskeln anspannen ließ. Die Mauern schienen enger beieinanderzustehen, seitdem Geryim im Raum war.
    Es war Sothorn unmöglich, sich in der Gegenwart des Wargssolja zu entspannen. Es widersprach all seinen Instinkten, sich vor einem potenziellen Feind ins Stroh zu werfen und die Augen zu
schließen.
    Aber richtig, sie waren keine Feinde. Sie waren Brüder. Angeblich. Wer behauptete das? Fremde. Großartig.
    „Wo ist Syv?“, fragte Sothorn schließlich, um der Stille im Raum Einhalt zu gebieten. Die Gegenwart des Adlers am Vortag hatte ihm gefallen. Mit dem Tier war ein Gefühl
von Freiheit in sein Gefängnis eingedrungen.
    „Oben“, erwiderte Geryim. „Er wollte nicht mit nach unten kommen.“
    Belustigt grinste Sothorn: „Ach, hat er dir das gesagt?“
    Er vermutete eher, dass es dem anderen Assassinen nicht geschmeckt hatte, dass Syv freundlich um ihn herumgeschlichen war und sich hatte streicheln lassen wie ein Schoßhund.
    Halb erwartete Sothorn eine pampige Antwort, doch Geryim nickte lediglich: „Ja, hat er. Würdest du ihn besser kennen, hättest du bemerkt, wie unwohl er sich in engen Räumen
fühlt. Man kann ihre Körpersprache lesen, wenn man viel Zeit mit ihnen verbringt.“
    Eine spöttische Antwort lag Sothorn auf der Zunge, doch er verschluckte sie. Er erinnerte sich an die Pferde, die ihn zu seinen Aufträgen begleitet hatten. Ihre stumme Sprache war
für einen aufmerksamen Reiter ebenfalls zu lesen gewesen. Das Spiel ihrer Ohren und

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