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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Nüstern, die Haltung von Kopf und Schweif, die Anspannung in ihrem Körper.
    Wenn man ein Pferd verstehen und seine Nervosität spüren konnte, konnte man vielleicht auch einen Blauschwanzadler verstehen lernen.
    Dennoch blieb Sothorn das geheimnisvolle Band zwischen Geryim und Syv ein Rätsel. Augenscheinlich ging es über die Verbindung von Reiter und Pferd hinaus.
    Warum unterwarf sich ein Raubvogel der Führung eines Menschen? Warum folgte er ihm in die Enge von festen Mauern?
    Warum ein Mann hingegen ein Interesse an einem treuen Begleiter hatte, konnte Sothorn sehr gut verstehen. Assassinen waren einsam. Auch Sothorn hatte zeitweilig die Gesellschaft der Ratten in
seinem Kerker geradezu genossen.
    Dennoch ... Mensch und Adler. Es war und blieb eigenartig. Ob den Wargssolja Rituale zur Verfügung standen, um Tiere an sich zu binden? Magie?
    Sothorn unterdrückte die Kälte, die seine Wirbelsäule entlang kroch. Zauberei war ihm nicht geheuer. Sie entzog sich dem Einfluss des Dolchs, war unberechenbar.
    „Oben?“, fragte er weiter, um das Gespräch mit Gewalt am Laufen zu halten. Solange sie sich unterhielten, starrten sie sich wenigstens nicht gegenseitig nieder. „In deinem
Zimmer? Bei den anderen oder wo?“
    Geryim runzelte die Stirn, wirkte abwesend: „Nein, ich habe ihn auf den Hang gebracht. Er braucht den freien Himmel über sich.“
    „Hast du keine Angst, dass er fortfliegen könnte?“, rutschte es Sothorn heraus. Kaum hatte die Frage seine Lippen passiert, griff er sich innerlich an den Kopf. Es war nicht
seine Absicht gewesen, Geryim zu provozieren – dieses Mal nicht. Und nein, Syv würde sich in naher Zukunft nicht in die Luft erheben und fortfliegen.
    Halb rechnete er damit, sich einen Fausthieb einzufangen, aber Geryim schüttelte nur abschätzig den Kopf: „Denken ist nicht deine größte Stärke, oder? Mach dir
nichts daraus. Es wird besser werden, sobald du keine Holzwolle mehr im Schädel hast.“
    Er lachte gutmütig. Ein runder, weicher Laut, der nicht zu ihm zu passen schien.
    Irritiert rückte Sothorn näher an die Wand und lehnte sich an den Stein. Er hatte eine andere Reaktion erwartet. Geryim erschien ihm heute geradezu zugänglich. Hatten Janis und
Theasa ihm ins Gewissen geredet? Ihn gebeten, sich kameradschaftlich zu verhalten? Nein danke, darauf konnte er verzichten.
    Oder auch nicht.
    Verbittert wandte Sothorn den Kopf zur Seite und schalt sich innerlich einen Narren. Auf was hatte er sich eingelassen?
    Wieder war er von der Gnade anderer abhängig, wieder konnte er sich nicht sicher sein, was der Morgen brachte.
    Oh, er wusste, was sie ihm gesagt hatten, was auf ihn zukam. Aber warum sollte er ihnen trauen? Warum sollte er Geryim vertrauen?
    Weil sie dich bereits ein Dutzend Mal töten konnten und es nicht getan haben, beantwortete er sich die Frage selbst und schob den Verfolgungswahn beiseite.
    Er musste an seinen Meister denken. Prüfend musterte er Geryim, der ein Knie angezogen hatte und nachdenklich zum vergitterten Fenster schaute.
    Sothorn rieb sich über das Kinn: „Was ist eigentlich mit meinem Herrn passiert? Hast du ihn getötet?“
    Überrascht wandte Geryim sich ihm zu. Seine schwarzen Augenbrauen zogen sich zu einer geschlossenen Linie zusammen, als er erwiderte: „Stolan? Nein, warum sollte ich? Und gewöhne
es dir ab, ihn deinen Herrn zu nennen. Du bist jetzt dein eigener Herr.“
    „Und was glaubt ihr, wie von Meerenburg auf mein Verschwinden reagieren wird?“, überging Sothorn die Frage nach dem Besitzrecht an seiner Person. Sein Herzschlag gewann
unmerklich an Kraft und Geschwindigkeit. Ein Hauch von Angst in einem Körper, der nur wenig empfand.
    „Die Frage ist eher, was du glaubst, was passiert wäre, wenn ich ihn umgebracht hätte.“
    „Das weiß ich nicht, aber solange er am Leben ist, wird er mich suchen“, stöhnte Sothorn und fuhr sich durch die Bartstoppeln. Bisher war ihm der Bruderschaft recht
organisiert vorgekommen, aber anscheinend hatte er sich geirrt. Es war sträflicher Leichtsinn, Stolan nicht anzutasten. „Er wird mich nicht gehen lassen. Ich habe für ihn Dutzende
Menschen getötet. Ich kann ihm gefährlich werden.“
    „Und uns auch“, entgegnete Geryim gespenstisch ruhig. „Was glaubst du, was geschehen wäre, wenn wir jedes Mal, wenn wir einen Assassinen befreien, seinen Meister
töten würden? Die reichen, einflussreichen, hochgeborenen Meister? Sie würden uns jagen und abschlachten wie Vieh. Es würde

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