Zenjanischer Lotus (German Edition)
Körper zu verlassen, nicht Sothorns gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch genommen, hätte er wohl um sich geschlagen.
Wie aus weiter Ferne hörte er ein Wispern: „Sei froh, wenn es draußen ist. Dann geht es dir besser. War bei mir auch so.“
Es hörte nicht auf.
Sothorn glaubte zu ersticken. Die Welt drehte sich um ihn. Sein Kreislauf sackte zusammen, und er drohte vornüber zu stürzen. Stabilisiert durch den Griff in seinem Nacken und einer
Hand auf seiner Schulter hustete er, bis seine Atemwege brannten und sein Körper quälend langsam zur Ruhe kam.
Schwankend richtete Sothorn den Oberkörper auf. Er keuchte, ekelte sich vor sich selbst und spürte plötzlich Geryims sich sacht bewegende Finger an seinem Hals.
Ungehalten schlug Sothorn nach dem Wargssolja: „Lass mich los.“
Er traf Geryim hart an der Schulter und riss sich los. Prickelnder Schmerz zuckte durch seine Kopfhaut, als er sich selbst einige Haare ausriss, die nicht schnell genug durch die Finger des
anderen Assassinen geglitten waren.
„He, ich wollte nur verhindern, dass du dich besudelst“, protestierte Geryim und zog sich mit düsterer Miene von ihm zurück. Seine Augenbrauen senkten sich, als er
beleidigt das Kinn vorschob und sich die Schulter rieb.
„Ich brauche kein Kindermädchen“, zischte Sothorn zurück und kroch zu seinem Lager.
Eine unangenehme Schwäche machte seine Muskeln steif, aber wenigstens ließ die Übelkeit nach. Er spürte Geryims Blick auf sich lasten, war dankbar, dass er schwieg und ihn
nicht mit seinen Weisheiten behelligte.
Ausgelaugt griff er nach dem Wasserkrug und trank vorsichtig einen Schluck. Sothorn horchte in sich hinein, wie sein Körper auf die Flüssigkeit reagierte, und seufzte erleichtert, als
das kühle Wasser den Brand in seiner Speiseröhre löschte, ohne Schaden anzurichten.
Besser.
Versuchsweise streckte er sich, bewegte den Kopf von links nach rechts und spannte die Bauchmuskeln an.
Oh ja, viel besser.
Endlich hatten die Wände ihren komplizierten Tanz eingestellt und schlingerten nicht länger am Rande seines Blickfelds. Sollte ihm eine Atempause vergönnt sein? Er hoffte es. Nur
ein wenig Frieden, bevor die nächste Welle Schmerzen oder Übelkeit über ihn hereinbrachen.
In dem Gefühl, beschenkt worden zu sein, machte Sothorn sich im Stroh lang und zog eine Decke über seine Beine. Er widerstand dem Drang, sich wie ein Kind darunter zusammenrollen und
den Kopf in einer Höhle aus gesponnener Wolle zu verbergen. Sein Gesicht verschwand unter seinem Unterarm in dem Versuch, die Welt im Allgemeinen und Geryim im Besonderen auszusperren.
Er war erschöpft und zu müde, um sich ärgern zu lassen oder sich zu fragen, was ihm in den folgenden siebzehn Tagen noch bevorstehen mochte.
Sothorn hatte gerade seine kalten Füße bedeckt und eine bequeme Lage gefunden, als jemand mit wachsender Vehemenz an seiner Decke zupfte. Winzige Bewegungen, die kühle Luft an
seine Beine ließen und ihn in seiner Erschöpfung und Sehnsucht nach dem Schutz des Schlafs störten.
„Lass mich in Frieden“, grummelte er.
Es zupfte erneut und etwas Hartes stieß gegen seinen Knöchel, riss spürbar die Haut auf.
Sothorn fluchte. Auf der Schwelle zwischen Zorn und Suche nach Ruhe hob er das Bein. Er wollte nach dem Eindringling treten, als Geryim bellte: „Wag es nicht!“
Sothorn wollte zu einer wütenden Antwort ansetzen, sah auf und hielt inne. Sein Fuß schwebte drohend halb in der Luft; beäugt von einem neugierigen Adler, der in seiner
Langeweile begonnen hatte, sich ein Nest zu seinen Füßen zu bauen.
Sothorn schluckte.
Das Verhalten des verletzten Raubvogels rührte ihn auf ganz und gar fremdartige Weise.
Bewegt, verwirrt, ein wenig atemlos sah Sothorn Syvs Bemühungen zu. Fäden und Stroh wurden zusammengescharrt und zu einem kleinen, ein wenig jämmerlich anmutenden Horst
aufgetürmt. Wieder und wieder pickte der Adler nach Halmen, die ihm vielversprechend schienen, und baute sie in seine Heimstatt ein.
Das Bewegende daran war die räumliche Nähe, die er suchte. Das Vertrauen, nicht getreten oder verscheucht zu werden.
Getreten, wie Sothorn es um ein Haar getan hätte. Vorsichtig ließ er den Fuß sinken. Es kam ihm vor, als würde Syv ihm einen spöttischen Blick zuwerfen, der sagte:
„Kluger Junge.“
Als würde Geryim die Gedanken seines Begleiters auffangen und in Worte umwandeln, knurrte er einen Augenblick später: „Das will ich dir auch geraten haben. Du hast
Weitere Kostenlose Bücher