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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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wahrlich genug
Schaden angerichtet.“
    Sothorn, der nach wie vor vom Handeln des Raubvogels bewegt war – noch nie hatte jemand es darauf angelegt, sich neben ihm zur Ruhe zu legen -, antwortete abwesend: „Es war
keine Absicht. Weder heute noch damals.“ Er sah auf. „Ich wollte dich treffen, nicht Syv.“
    Probeweise streckte er die Hand aus und hob zaghaft den Mundwinkel, als der Adler sacht nach ihm pickte.
    „Das ändert nicht viel am Ergebnis“, erinnerte Geryim ihn mit einem strengen Zug um die Lippen. In der Art, wie er ein Bein dicht an den Oberkörper zog und die Hände
auf dem Knie ablegte, lag etwas Angespanntes, Wildes. Fast, als wäre er mehr Raubtier als Syv jemals werden konnte.
    „Nein, vermutlich nicht“, fuhr Sothorn hitzig hoch. „Aber hast du dir nie gewünscht, in einem großen Kampf abzutreten? In einem wahnwitzigen Duell so viele Gegner
wie möglich zu töten und erst dann zu fallen, wenn du von einer Übermacht überrannt wirst? So, dass deine Geschichte noch in Jahrzehnten an langen Winterabenden erzählt
wird? Ich dachte, ich würde sterben, Mann. Und ich wollte dich mitnehmen, wenn ich schon nicht den Tod bekomme, den ich mir gewünscht habe.“
    Er wunderte sich über sich selbst. Was löste ihm dermaßen die Zunge? Was brachte ihn dazu, um das Verständnis eines Manns zu kämpfen, den er nicht einmal leiden konnte?
Er musste sich nicht erklären. Und erst recht musste er nicht erklären, warum er seinen Henker hatte töten wollen.
    Geryims gelbe Augen wirkten kühl und nachdenklich, als er Sothorn sagte: „Nein, solche Wünsche sind und waren mir fremd. Denn ich wollte erst gar nicht sterben.“
    „Das ist keine Frage des Wollens.“
    „Doch, irgendwie schon. Denn nur, weil du leben willst, bist du jetzt hier und wartest nicht darauf, dass dein alter Meister dir die Kehle durchschneiden lässt. Man hat immer eine
Wahl.“
    Verwirrt schüttelte Sothorn den Kopf, konnte dem Gedankensprung nicht folgen. Aber ihm fehlte die Kraft – und die Motivation -, mit Geryim zu diskutieren. Er wollte ihm nicht
erklären, was es bedeutete, mit jedem Schritt seinem Tod entgegen zu gehen und zu wissen, dass er unvermeidlich war.
    Vielleicht hatte die Bruderschaft Geryim früher gerettet. Mit einiger Sicherheit war der Warg nicht so lange im Griff des Zenjanischen Lotus gewesen wie er. Er redete von Dingen, von denen
er keine Ahnung hatte.
    „Wie du meinst“, sagte Sothorn, um das Thema zu beenden. „Ich gehe nicht davon aus, dass du in naher Zukunft verschwinden wirst?“
    „Nur, um dir gegen Mittag etwas zu essen zu holen. Und du tätest mir einen Gefallen, wenn du nicht wieder damit wirfst.“
    „Das hatte ich befürchtet. Gut, wenn ich dich schon nicht loswerde, dann erzähl mir etwas über das Schiff der Bruderschaft, das ich vom Fenster aus gesehen habe. Wo sind die
anderen hingefahren? Wo besorgen sie Vorräte? Erledigen sie einen Auftrag?“
    Geryim lachte kehlig: „Seit wann so gesellig?“ Er schien aufrichtig amüsiert zu sein und fügte hinzu: „Tut gut, wenn einem der Magen nicht mehr aus dem Bauch springen
will, was?“
    Genervt zog Sothorn seine Decke höher: „Mein Bauch geht dich nichts an. Jetzt rede oder lass es bleiben.“
    Er hätte es nie zugegeben, aber er hoffte, dass Geryim sich nicht fürs Schweigen entschied. Nach der Einsamkeit der vergangenen Nacht und in der Gewissheit, dass ihm schlimme Tage
bevorstanden, gewann Geryims Anwesenheit an Wert. Ob Sothorn wollte oder nicht.
    Es war gut, einer menschlichen Stimme zu lauschen, statt sich mit den Stimmen in seinem Kopf auseinanderzusetzen.
    Ein seltsames Gefühl von mangelnder Balance und Sprunghaftigkeit machte sich in Sothorns Verstand bemerkbar, und er konnte nur hoffen, dass es kein Anzeichen beginnenden Irrsinns war.
    „Na gut, ich will nicht so sein“, begann Geryim zu erzählen. Sothorn kam der Gedanke, dass es ihm vielleicht auch lieber war, mit ihm zu sprechen, statt schweigend an der Wand
zu sitzen und auf den Abend zu warten. „Die
Henkersbraut
ist unser Schiff und zweites Zuhause. Sie bietet uns Schutz und die Gewissheit, bei drohender Gefahr fliehen zu können.
Sie ...“
    „Augenblick“, unterbrach Sothorn ihn ungläubig. „Das Schiff heißt
Henkersbraut
? Kein Seemann mit wachem Verstand wird auf einem Schiff mit einem solchen Namen
anheuern. Damit fordert man das Schicksal doch geradezu heraus.“
    Die Seeleute von Sunda waren für ihren Aberglauben berühmt.
    „Wo

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