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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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denkst du hin? Es heuert kein gemeiner Seemann bei uns an. Wir sind die Besatzung der
Braut
. Und die Bruderschaft ist nun einmal, was sie ist. Wir geben uns keinen Illusionen
hin.
    Janis hat die
Henkersbraut
vor vielen Jahren erbeutet und sie ist, wie gesagt, unsere zweite Heimat. Sie hat alles an Bord, was wir brauchen, sollten wir je von hier verschwinden
müssen. Sie braucht nur wenig Besatzung und hat einen flachen Rumpf, sodass sie Gewässer befahren kann, die die großen Segler umfahren müssen. Und sie ist schnell. Sehr
schnell. Vor einem Jahr mussten wir zum Beispiel ...“
    Sothorn ließ Geryim reden und stellte keine Zwischenfragen mehr. Das gleichmäßige Auf und Ab der sonoren Stimme beruhigte ihn.
    Bevor der Wargssolja ihm erklären konnte, wo die Bruderschaft ihre Vorräte kaufte – oder stahl -, legte sich ein weicher Schleier über Sothorns Geist. Er merkte kaum,
dass ihm die Augen zufielen und die Welt ausschlossen, ihn in warme Dunkelheit hüllten.
    Ab und an hörte er Syvs halblaute Schreie, dann hörte er gar nichts mehr.

Zwischen brennendem Stein und kühlen Händen
    „It kjanæ gjøllen!“
    Er wusste es, und es machte ihm Angst. Während er durch die engen Gänge rannte, hallten die Schreie in seinen Ohren wider.
    It kjanæ gjøllen.
Der Stein brennt.
    Die Stimme erklang in seinem Kopf. Stöhnte und weinte. Ein flüsterndes Klagelied in fremden Zungen, deren Sinn ihm offenbar wurde, auch wenn die Sprache fremd war.
    Der Stein brannte nicht nur, er schrie wie ein gequältes Tier. Bei jeder Bewegung hörte Sothorn das Ächzen des Felsens und wollte fort. Rennen, fliehen, bevor seine Haut zu Kohle
wurde und sein Selbst in einem Häufchen Asche verschwand.
    Er spürte die Flammen, die sich durch den Berg fraßen. Sie lauerten dicht hinter den Wänden, warteten darauf, über ihn herzufallen. Glühende Funken, die aus dem Gestein
brachen wie die Späher einer Invasionsarmee, legten sich zischend auf seine Unterarme. Der scharfe Gestank von verbranntem Haar ließ ihn keuchen.
    Die Ausgänge waren weit. Der Rauch schlängelte sich giftigen Tentakeln gleich durch die Flure, drang tastend in die Räume ein und schwächte ihrer aller Lungen.
    Angst. Nicht sterben. Nicht jetzt. Nicht hier.
    Ein unmenschlicher Aufschrei zu seiner Linken und in seinem Geist: „
It wrørgæ bjaden ga deyn yenæ ol sjoris.“
    Der Tod kommt in einem Mantel aus Feuer.
    Nein, die Flammen würden ihn nicht erreichen, nicht verschlingen. Nie hatte er sich so sehr nach dem Meer gesehnt wie in diesem Augenblick, da er durch die Lagerräume stürmte und
die Glut zerfallender Holzfässer ihn vorwurfsvoll anstarrte.
    Alles hatte Augen. Die gemarterten Wände, die glühenden Statuen, das heiße Eisen der Türangeln.
    Die Feuerwand bewegte sich auf ihn zu, und er wurde Tier. Rannte. Stürzte. Rollte sich über eine gestürzte Säule hinweg. Kam wieder auf die Füße. Ungeachtet der
Schreie, die ihn erreichten. Er wollte helfen, aber er konnte nicht. Nicht, solange er sich in seiner Angst verlor. Er floh.
    „Rasker ilja herissi.“
    Das Weinen einer Mutter. Ihr Wehklagen, der Aufschrei, als die Flammen sie fanden. Er konnte nichts für sie tun. Konnte ihrer Bitte nicht nachkommen. Er konnte die Kinder nicht retten. Es
gab keinen Weg zu ihnen, keine Möglichkeit, das Feuer zu besänftigen. Unter ihnen ruhten die Wassermassen des Ozeans und nur hundert Schritte höher verbrannten sie. Welch grausame
Ironie des Schicksals, dass ihr liebster Freund, der sie seit Jahrhunderten beschützte, sie in ihrer größten Not allein ließ.
    Lass sie springen, beschwor er die sterbende Frau innerlich. Stoß sie durch die Fenster.
    Besser, die Kleinen fanden einen schnellen Tod auf den Klippen – oder überlebten wie durch ein Wunder, wenn sie durch die Wasseroberfläche brachen -, als dass sie das Feuer
auf sich zukommen sahen und qualvoll erstickten. Oder verbrannten.
    Verbrannten wie er. Er schrie. Opferte kostbare Luft aus seinen Lungen, um seinen Qualen Rechnung zu tragen. Der charakteristische Geruch verkohlter Haare nahm zu, und er wusste, dass sein
Schopf sich unter dem Einfluss der Hitze zu kräuseln begonnen hatte. Vorboten.
    Seine Haut sonderte in dem verzweifelten Versuch, sich zu kühlen, Myriaden von Tropfen ab.
    Er wusste nicht mehr, wo er war. Aber die Flammen kamen ihm entgegen, wiegten sich in ihrer schamlosen Fresslust in einem Luftzug, und auf einmal hörte er die anderen. Jemand war neben ihm.
Bei ihm. Ganz nah

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