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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Chitin-Leibern und starren Facettenaugen.
Aasfresser, die darauf warteten, sich an seinem Kadaver gütlich zu tun.
    Manchmal glaubte er zu spüren, dass sie vor der Zeit über ihn hergefallen waren und bereits unter seiner Haut entlang krochen, um ihm das Fleisch von den Knochen zu fressen.
    „Gebt mir meine Klingen“, knurrte Sothorn mit dem letzten Rest Selbstbeherrschung, den er aufbringen konnte. Was er mit seinen Waffen anfangen wollte, wusste er nicht. Vielleicht die
Tiere im Gestein erdolchen, vielleicht Geryims Kehle durchschneiden oder sich selbst die schmerzenden Gliedmaßen abtrennen.
    Wenn er sich Arme und Beine abschnitt, musste er am Ende weniger Schmerzen haben, oder? Weniger Knochen, weniger Haut, weniger Schmerzen. Verlockend.
    Geryim ließ die angespannten Schultern sinken und bewegte minimal den Kopf von links nach rechts: „Nein. Komm, setz dich.“ Er hob vielsagend einen Becher mit Wasser. „Du
brauchst Flüssigkeit.“
    „Ich will aber nicht!“, schrie Sothorn. „Ich will nur meine Waffen, damit ich es zu Ende bringen kann!“
    „Du bist nicht du selbst“, entgegnete sein Gegenüber so gelassen, dass er den Wunsch verspürte, Geryim die Augen auszukratzen.
    Sothorn wollte nicht mehr kämpfen. Er
konnte
nicht mehr kämpfen. Die Schmerzen rissen ihn entzwei. Der Verlust jeder Menschlichkeit, das Zittern am Abgrund des Verstands war
unerträglich.
    Zu viel für einen Mann, dessen Leben nie viel wert gewesen war. Dutzende Menschen hatte er getötet, aber sich selbst konnte er nicht besiegen.
    Nichts, was vor ihm lag, war diese Qualen wert.
    In Sothorns Seele erwachte der Warg; der große, gefährlich intelligente Bruder der Wölfe aus den tiefen Wäldern. Bisher hatte das Biest stumm in seinem Kopf auf der Lauer
gelegen und auf seine Zeit gewartet. Doch nun, da das Licht des Tages aus dem steinernen Raum floss und Geryim vor ihm stand, warf das Raubtier den breiten Schädel in den Nacken und heulte den
aufgehenden Witwenmond an.
    Sothorns Leib flog gestreckt nach vorn. Seine Krallen – Finger - griffen nach Geryims Kehle, und der Geifer tropfte ihm von Reißzähnen, die keine waren. Eine unheimliche
Veränderung ging mit Sothorns Gesicht vor sich. Es war, als würde sich unter seiner Haut etwas verschieben. Nichts änderte sich, kein Knochen bewegte oder verformte sich, aber er
ließ sichtlich jede Menschlichkeit hinter sich, als er den fremden Leib unter sich begrub.
    Geryim war kein Schwächling, aber der schieren Raserei Sothorns hatte er im ersten Augenblick nichts entgegenzusetzen.
    Erst, als er schmerzhaft auf den Rücken gekracht war, setzte er sich gegen den Übergriff zur Wehr. Und Sothorn liebte es. Liebte das Zappeln unter sich, die Hand, die sich würgend
um seinen Hals legte, um ihn davon abzuhalten, in bloßes Fleisch zu beißen. Er weidete sich an dem schweren Atem seines Gegners, an seinem wilden Bemühen, die Oberhand zu
gewinnen.
    Beute schlagen. Beute, die um ihr Leben kämpfte. Spüren, dass er existierte. Ein letztes Mal sein, bevor er sich auflöste.
    Sothorns Hass war grenzenlos. Brutal setzte er seinen Körper ein, um Schmerzen zu verursachen. Er trat, biss, schlug, spuckte und riss und verbrannte dabei in einem Feuersturm aus Gewalt
den letzten Rest Kraft, der in Geist und Körper verblieben war.
    Er hörte Aufschreie, genoss das Klingeln in seinen Ohren, begriff nicht, dass Geryim keinesfalls vor Schmerzen brüllte, sondern um Sothorn zu erreichen, um ihn zu Verstand zu bringen.
Aber der Verstand war unter seinen Qualen verwelkt.
    Geryim lag nicht lange hilflos auf dem Rücken. Von Haus aus kräftiger und mit größerer Reichweite versehen setzte er sich gegen Sothorns trotz aller Agilität
geschwächte Kampfkunst zur Wehr und warf ihn auf den Rücken.
    Schnaubend kniete er über Sothorns Brust, aber wie eine Raubkatze war der rasende Assassine kaum zu halten. Verbissen wehrte er sich gegen die Finger an seinen Handgelenken, bäumte
sich auf, versuchte sich zu drehen und tat alles, um Geryim an seiner eigenen Pein teilhaben zu lassen.
    Als sich der Griff um seinen linken Arm lockerte, glaubte der Warg in Sothorn, dass seine Zeit gekommen war. Er schrie wortlos auf, wollte zupacken, nur um im nächsten Augenblick in die
Finsternis zu taumeln.
    Geryims Faust traf ihn unter dem Kinn, auf die Nase und an der Schläfe. So lange, bis seine Fingerknöcheln bluteten, Sothorn das Weiße in den Augen zeigte und regungslos liegen
blieb.
    * * *
    Blind und

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