Zum Wilden Einhorn
gewesen sein, die auf diese Weise gerächt wurde.«
Eine Weile marschierten sie stumm dahin. Schließlich sagte Quag ernst: »Ich rate Euch, gebt diese Suche auf. Widmet Euch Euren Heilkünsten und überlaßt die Mörder den Behörden.«
Diesmal nickte Stulwig heftig, was in Freistatt »nein« bedeutete. »Wenn Ils sich höchstpersönlich in einem Traum zeigt und mir zweifelsohne durch ihn befohlen wird, den Mörder aufzuspüren, habe ich gar keine Wahl.«
Das von Wind und Wetter gegerbte Gesicht des Höllenhunds wirkte keineswegs beeindruckt. »Euer Ils hat Freistatt im Stich gelassen, als er duldete, daß die Stadt von Armeen erobert wurde, die einem anderen Gott huldigen.«
»Das ist die Strafe für die Verruchtheit der Stadt«, antwortete Stulwig automatisch mit der Erklärung der Ils-Priester. »Wenn wir geläutert sind und unsere Sühne geleistet haben, werden die Besetzer gezwungen werden, die Stadt zu verlassen.«
»Als ich den Palast verließ, sah es nicht so aus, als packten die Sklaven zur Abreise des Prinzen.« Quag grinste und fuhr fort: »So etwas kann ich mir auch nur schwer vorstellen, und ich rate Euch, Eure Hoffnungen nicht darauf aufzubauen.«
Er unterbrach sich kurz.
»Ah, hier sind wir. Sobald Ihr sicher in Euren vier Wänden seid - und natürlich werden wir uns umsehen und vergewissern, daß niemand in einer dunklen Ecke lauert ...«
Eine ganze Weile später sagte der dankbare Stulwig den Soldaten Lebewohl und schaute ihnen nach, als sie die Treppe hinunterstapften. Als Quag unten stehenblieb und fragend hochblickte, schloß Stulwig gehorsam die Tür und verriegelte sie.
Er war also zu Hause.
Es war ein ruhiger Abend. Zwei Männer und eine Frau klopften an die Tür. Jeder bat durch den Sprechtrichter um seine heilende Hilfe. Die Männer schickte Stulwig ein Stück die Straße entlang zu Kurd, und sie widersprachen auch nicht.
Bei der Frau zögerte Stulwig. Sie war eine langjährige Patientin, die immer in Gold bezahlte. Trotzdem ließ er auch sie nicht herein, sondern riet ihr, zu einem Heiler namens Nemis zu gehen. Als sie darauf bestand, von ihm behandelt zu werden, entschuldigte er sich damit, daß er offenbar etwas Unbekömmliches gegessen habe und sich nicht wohl fühle. Das schien sie gelten zu lassen und ging ebenfalls weg.
Kurz nach Mitternacht klopfte es zum viertenmal an seiner Tür, sehr zögernd diesmal. Es war Illyra. Als er ihr Flüstern vernahm, wurde er ganz aufgeregt. Sie sagte, sie sei gekommen, wie sie es am Morgen vereinbart hatten.
Ein überglücklicher Stulwig öffnete die Tür, ließ sie ein, bedeutete ihr, zu seiner Schlafkammer zu gehen. Und während sie es mit einem lauten Rascheln ihrer vielen Röcke tat, verriegelte er wieder die Tür.
Augenblicke später blies er die Kerzen aus, schlüpfte aus seinen Sachen und kroch im Dunkeln zu ihr ins Bett. Keinerlei Schuldgefühl kam in ihm auf, als er die Arme um sie legte.
In Freistatt kannte jeder die Regeln. Sich zieren gab es nicht. Jede Frau war irgend jemandes Geliebte, ob es ihr gefiel oder nicht. Jeder Mann mußte für sich selbst sorgen und nutzte jede Gelegenheit. Gewiß, es gab, was Ehre und Religion betraf, einen Kodex, doch er bezog sich nicht auf Liebe, Alkohol und Lebensunterhalt. Man feilschte mit allen Mitteln. Sah man eine Gelegenheit, überlegte man sofort alle Möglichkeiten. Dann kam die erste, unverschämte Forderung, die vom nicht weniger entschlossenen Geschäftspartner immer tiefer gedrückt wurden, bis man eine Einigung erzielte.
Das war es auch, was ihm die schöne Illyra in sein Bett gebracht hatte. Sie hatte sich einverstanden erklärt, ihm auf die übliche Mann-Frau-Beziehung zur Verfügung zu stehen, außer, irgend etwas kam dazwischen.
Nachdem ihr offenbar klar war, daß ihre Abmachung bindend war, sträubte sie sich nicht mehr. In der Dunkelheit fand Stulwig, daß ihr nackter Körper für ihn bereit war, einschließlich vieler erleichternder Gesten und wünschenswerter Erregung. Die meisten Frauen, die auf diese Weise für seine Heildienste bezahlten, lagen wie kalte Statuen in seinen Armen und zitterten höchstens ein bißchen, wenn es für ihn am schönsten war. Danach verließen sie hastig sein Bett, zogen sich an und rannten die Treppe hinunter und zurück ins Labyrinth.
Illyra war so ganz anders, ja sie strich sogar - zärtlich, wie ihm schien - mit der Hand über seine Haut. Unwillkürlich mußte Stulwig wieder an den riesenhaften Schmied denken, mit dem sie
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