Zurück in Virgin River (German Edition)
bekommen und ist nicht mehr auf das Provisorium angewiesen. Es könnte ihm also wesentlich besser gehen. Doch der Stolz steht ihm im Weg. Er ist immer noch total wütend.“
„Offensichtlich“, erwiderte Dan. „Und das Mädchen …“
„Er hat beschlossen, dass sie ohne ihn besser dran ist, und sich von ihr getrennt. Anfänglich hatte ich mir eigentlich mehr Sorgen um sie gemacht. Ich dachte, seine Entscheidung würde sie umbringen. Doch mittlerweile sehe ich es anders. Sie hat augenscheinlich genug von seinem Mist. Er hat sie fallen lassen, nicht nur, als er sie am meisten gebraucht hätte, sondern als sie ihn am meisten brauchte. Und jetzt gibt es da zwei junge, verletzte und stinkwütende Menschen, die ohnehin schon viel zu viel durchmachen mussten.“
„Weißt du, ich warte schon länger auf den richtigen Moment …“, begann Dan. „Vielleicht könnte ich mal mit ihm reden. Ich habe selbst jede Menge Granatsplitter im Bein und wurde aus gesundheitlichen Gründen ausgemustert. Ich musste ziemlich viele schmerzhafte Stunden Physiotherapie über mich ergehen lassen, und ich kann mein Bein trotzdem noch nicht wieder so bewegen wie vorher.“
Jack machte ein betroffenes Gesicht. „Mir war schon aufgefallen, dass du manchmal hinkst …“
„Ab und zu“, bestätigte Dan. „Und ich kann nicht mehr auf Dächer oder Leitern klettern, wie ich meinem Chef schon gesagt habe“, fuhr er mit einem Seitenblick auf Paul fort. „Selbst wenn ich in einer Sekunde noch aufrecht stehe, lande ich in der nächsten vielleicht schon auf meinem Hintern. Man lernt, damit zu leben. Aber ich erinnere mich gut an die lange, schlimme Zeit, bis ich so weit war, das zu akzeptieren.“
„Was meinst du, hat dir dabei geholfen, falls das jetzt nicht zu indiskret ist?“, fragte Jack.
„Keine Ahnung. Es gab zu der Zeit mindestens hundert Dinge,die alles andere als rund liefen“, antwortete Dan kopfschüttelnd. „Ich hatte eine junge Frau, die mich verlassen hatte, während ich weg war. Es gab einen Krankheitsfall in der Familie. Ich war in vielerlei Hinsicht komplett im Eimer. Und da half es mir nicht gerade, dass mein Bein auch noch permanent wehtat. Ich glaube, ich hatte irgendwann einfach keinen Bock mehr auf diese Abwärtsspirale.“
„Ich hätte da noch eine sehr persönliche Frage. Die Antwort wäre mir sehr wichtig.“
„Leg los.“
„Warst du selbstmordgefährdet?“
„Nein. Ich glaube nicht. Ich habe zwar ziemlich lange herumgejammert und bin fast wahnsinnig geworden. Und ich habe dagegen angekämpft und mich dabei nicht besonders gesetzestreu verhalten. Das war zwar ziemlich dämlich von mir, aber so war es eben. Hältst du Rick denn für selbstmordgefährdet?“
„Ich weiß nicht mal genau, ob ich mir Sorgen machen muss“, erklärte Jack. „Er hat nichts gesagt, was darauf hindeuten würde. Aber, lieber Himmel, er spricht ohnehin nicht viel mit mir. Dieser Kerl ist einfach zu verschlossen, um zu wissen, was in seinem Schädel vor sich geht.“
„Du könntest ihn fragen“, schlug Dan vor.
„Wie würdest du ihm diese Frage stellen?“
„Du sagst: ‚Hey, Rick, ich habe Augen im Kopf und sehe, dass du in einem schrecklichen Zustand bist. Ich muss wissen, ob du an Selbstmord denkst.‘ In fünfzig Prozent aller Fälle bekommst du bei einer klar gestellten Frage auch eine klare Antwort.“
Jack dachte einen Augenblick lang darüber nach. „Weißt du, Brady, du überraschst mich ganz schön. Ich muss gestehen, dass ich nie gedacht hätte, dass ich mich mal so mit dir unterhalten würde. Über so gefühlsduselige Sachen und trotzdem so ernsthaft.“
Dan grinste. „Ich liebe dich auch, Jack“, sagte er.
Rick hätte sich selbst nie eingestanden, dass die psychologischen Sitzungen, die man ihm aufgezwungen hatte, sich auszahlten. Es gab auch keinen vernünftigen Grund dafür. Erstens, weil JerryPowell verrückt war. Zweitens, weil Rick keine Lust hatte, sich über seine Probleme zu unterhalten. Drittens, weil Jerry Powell jeden, den er behandelte, total auslaugte und erschöpfte.
Dennoch schienen diese stundenlangen Sitzungen eine merkwürdig beruhigende Wirkung zu haben, die mindestens bis zwei Stunden nach der Sitzung anhielt. Sobald Rick anfing, etwas zugänglicher zu sein und sich ein wenig zu öffnen, wurde es leichter. Jedes Mal, wenn er vor Jerry Powells Tür stand, sagte er sich: „Ich werde ihm heute nichts Persönliches erzählen.“ Und dann stellte ihm dieser Durchgeknallte doch immer
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