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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Einfahrt in den ungeheuren bengalischen Golf, stießen wir mehrmals auf Leichname, die auf der Meeresoberfläche schwammen. Es waren Leichen aus den indischen Städten, welche der Ganges bis in’s hohe Meer getrieben hatte, und welche die Geier, die einzigen Bestatter des Landes, nicht alle hatten verschlingen können. Die Haifische waren beflissen, sie in ihrem leidigen Geschäfte zu unterstützen.
    Gegen sieben Uhr Abends fuhr der Nautilus halb unter’m Wasser mitten durch ein Milchmeer. So weit man sehen konnte, schien der Ocean aus Milch zu bestehen. War’s nur Wirkung des Mondlichtes? Nein, denn der Mond, erst seit zwei Tagen im Wachsen begriffen, befand sich noch unterhalb des Horizonts. Der ganze Himmel, obgleich in der Beleuchtung des Sternenlichtes, schien schwarz im Gegensatz mit diesem weißen Gewässer.
    Conseil konnte seinen Augen nicht trauen, und fragte mich über die Ursachen dieser auffallenden Erscheinung. Glücklicherweise war ich im Stande ihm seine Frage zu beantworten.
    »Man nennt das ein Milchmeer, sagte ich, weiße Meereswellen in weitem Umfang, wie man’s häufig an den Küsten von Amboina und in diesen Gegenden zu sehen bekommt.
    – Aber, fragte Conseil, kann mein Herr mich darüber belehren, welche Ursache eine solche Wirkung hervorbringt, denn das Wasser hat sich nicht in Milch umgewandelt, denk’ ich mir.
    – Nein, lieber Junge; diese weiße Farbe, welche Dir auffällt, rührt nur von Myriaden Infusionsthierchen her, einer Art Leuchtwürmchen, die farblos sind und wie Gallerte aussehen, haardünn und nicht länger als ein Fünftel-Millimeter. Manche dieser Thierchen hängen meilenweit mit einander zusammen.
    – Meilenweit, rief Conseil aus.
    – Ja, mein Junge, und gieb Dir nicht die Mühe, die Zahl dieser Thierchen auszurechnen! Du würdest es nicht fertig bringen, denn, irre ich nicht, so sind manche Seefahrer mehr als vierzig Meilen weit über solche Milchmeere gefahren.«
    Ich weiß nicht, ob Conseil meiner Mahnung Rechnung trug, aber er schien in tiefes Nachdenken versenkt, indem er ohne Zweifel auszurechnen bemüht war, wieviel Fünftheile von Millimetern in vierzig Quadratmeilen enthalten sind. Ich meines Theils fuhr fort, das Phänomen zu beobachten. Einige Stunden lang fuhr der Nautilus über solchen weißen Wogen, und ich bemerkte, daß er ganz geräuschlos durch dieses seifenartige Wasser glitt, als führe er in den Schaumwirbeln, welche mitunter zwischen den Strömungen und Gegenströmungen der Baien entstehen.
    Gegen Mitternacht nahm das Meer plötzlich seine gewöhnliche Farbe wieder an, aber hinter uns bis zu den Grenzen des Horizonts schien der Himmel im Widerschein der weißen Wogen lange Zeit mit dem unbestimmten Nordlichtschimmer überzogen.
Zweites Capitel.
Ein neuer Vorschlag des Kapitän Nemo.
    Am 28. Februar, als der Nautilus zur Mittagszeit unter’m 9°4’ nördlicher Breite wieder an die Oberfläche des Meeres kam, befand er sich im Angesicht eines Landes, das acht Meilen westlich lag. Ich gewahrte zuerst einen Haufen etwa zweitausend Fuß hoher Berge, deren Formen sich sehr launenhaft änderten. Als die Lage aufgenommen war, begab ich mich wieder in den Salon, und erkannte auf der Karte, daß wir im Angesicht der Insel Ceylon waren, dieser Perle an der unteren Spitze der Indischen Halbinsel.
    Ich suchte in der Bibliothek nach einem Buch über diese Insel, die eine der fruchtbarsten der Erde ist, und fand gerade einen Band von Sirr H. O. Esq., mit dem Titel: » Ceylon und die Cinga lesen «. Als ich wieder in den Salon trat, erschienen gleich auch der Kapitän Nemo und sein Lieutenant.
    Der Kapitän warf einen Blick auf die Karte und sprach zu mir:
    »Die Insel Ceylon ist durch ihre Perlenfischereien berühmt? Würde es Ihnen angenehm sein, Herr Arronax, eine solche Fischerei zu besuchen?
    – Ja wohl, Kapitän.
    – Gut. Es kann leicht geschehen. Nun, sehen wir zwar die Fischereien, so können wir doch nicht die Fischer sehen. Die jährlich vorgenommene Ausbeutung hat noch nicht begonnen. Thut nichts. Ich will nach dem Golf Manaar fahren, wo wir in der Nacht ankommen werden.«
    Der Kapitän sprach mit seinem Lieutenant einige Worte, der ging sogleich hinaus und der Nautilus tauchte alsbald in sein Element hinab. Das Manometer zeigte, daß es sich in einer Tiefe von dreißig Fuß hielt.
    Ich suchte auf der Karte den Golf von Manaar. Derselbe findet sich im Nordwesten unter’m neunten Breitegrad, gebildet durch einen langen Streifen des Inselchens

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