Zwei Toechter auf Pump
drückt wieder meinen Arm: »Danke, Colonel! Ist es vielleicht leichter für dich, wenn ich frage?«
»Frag.«
Sie holt abermals tief Atem, und ich fühle, wie schwer ihr trotz aller Vertrautheit zwischen uns die Offenbarung fällt: »Also — glaubst du, daß es Menschen gibt, die füreinander bestimmt sind? Oder ist das alles nur Einbildung? Fred sagt, die Liebe ist eine Zwangsvorstellung.«
»Hm.« In mir ist die Versuchung, einen Vortrag mit >einerseits und andererseits< zu halten und mich damit aus der Schlinge zu ziehen. Aber ich reiße mich zusammen: »Ja, ich glaube, daß es Menschen gibt, die füreinander bestimmt sind. Die Sache mit der Zwangsvorstellung ist Geschwätz.«
»Woran erkennt man nun«, fragt sie, »daß man füreinander bestimmt ist? Wenn ich an ihn denke, wird mir ganz eng ums Herz, so, als ob’s platzt. Ist es das?«
»Es ist jedenfalls ein Zeichen dafür, daß du verliebt bist«, sage ich vorsichtig.
»Aber Susanne sagt, ihr ist auch schon so eng gewesen — bei Verschiedenen!« (Oho, so weit bist du schon von deinem Thron herabgestiegen, daß du Susannchen um Rat fragst!) »Man kann doch nicht für mehrere bestimmt sein — oder?«
Und da entschlüpft es mir: »Man kann im Grunde nur für einen einzigen bestimmt sein.«
Sie bleibt erschrocken stehen: »Und wenn man den nun nicht findet?«
»Darüber brauchst du dir nicht den Kopf zu zerbrechen. Es ist so selten, daß man ihn findet — es ist ein Wunder.«
Ich fühle mich mit fast angstvoller Aufmerksamkeit gemustert. »Glaubst du — daß es so ein Wunder sein könnte — mit Buddy und mir? Woran erkennt man es? Du hast mir keine Antwort gegeben!«
Wie leer es um uns ist. Als ob der Natur vor lauter Kälte der Atem stockt. »Man erkennt es zum Beispiel daran«, sage ich, jedes Wort überlegend, »daß zwischen den beiden nie ein böses Wort fällt. Das kann es gar nicht geben, wenn man den findet, der gewissermaßen unser zweites Ich ist.«
Ihre Augen sind vor Verwunderung weit aufgerissen: »Glaubst du, daß es so was gibt? Hast du schon mal so was getroffen?«
»Ja, einmal — bei einem Ehepaar. Meine Freunde. Ich glaube es jedenfalls.«
»Leben sie noch?«
»Nein, sie sind tot. Er starb zuerst. Als er tot war, aß sie nichts mehr, bis sie auch tot war.«
Aus dem Gesicht neben mir verschwindet die Röte des Frostes: »Und woran erkennt man es noch?« fragt sie sehr leise.
Das Wasser neben uns scheint kohlschwarz, und ein seltsames Schneegebilde, wie ein großer Raubtierschnabel, hängt darüber.
»Kannst du dir vorstellen«, frage ich, »daß du mit Buddy glücklich verheiratet bist?«
Die Röte schießt wieder in ihr Gesicht: »Na, klar! Ganz genau sogar!«
Muß ich es wirklich sagen — jetzt? Ich fürchte, ich muß: »Und nun stell dir vor, man bringt ihn dir eines Tages — Verkehrsunfall. Beide Beine abgefahren. Den Rest deines Lebens, nein, den Hauptteil deines Lebens mußt du mit einem Krüppel verbringen, mit einem Krüppel, der durch sein Unglück und seine Schmerzen launisch ist, der dich mit seiner Eifersucht verfolgt. Wie würde es dann mit dir aussehen?«
Sie wirft den Kopf zurück: »Ich würde bei ihm bleiben! Selbstverständlich! Und wenn man mir sagte, daß eine Bluttransfusion gemacht werden müßte, bei der ich aber mein Leben riskieren würde — ich würd’s für ihn riskieren. Sofort! Im übrigen, Colonel, das mit den Beinen — wenn man an solche Ausnahmefälle denkt, würde ja kein Mensch heiraten!«
»Hm. Also, das mit der Bluttransfusion glaube ich dir. Jetzt im Augenblick würdest du’s vielleicht tun. Aber in zehn oder zwanzig oder fünfzig Jahren? Nimm mal an, du heiratest nächstes Jahr. Du bist dann achtzehn und er zwanzig. Ihr könntet also ohne weiteres fünfzig Jahre und mehr verheiratet sein. Ich weiß nicht, wieviel fünfzig Jahre mal dreihundertfünfundsechzig ist, so ungefähr achtzehntausend, glaube ich. Achtzehntausendmal miteinander aufstehen und zu Bett gehen, Geschirr abwaschen, Zimmer machen, seine Reden anhören, die ja meist dieselben sind, weil niemand achtzehntausendmal originell sein kann, seine Launen ertragen...«
Sie reißt ihren Arm aus meinem, hält sich die Ohren zu und stampft auf, daß der Schnee stiebt: »Hör auf! Ich kann es nicht hören!« Und dann fallen die Hände herunter, ihre Lippen zittern: »Ihr seid furchtbar, ihr Erwachsenen. Fred hat recht — man soll euch nichts erzählen.«
Das ist wie eine Ohrfeige. Ich zucke die Achseln und wende mich
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