Zwischenwelten (German Edition)
Ich bin schnell zurückgegangen. Ohne dich hatte ich sowieso keine richtige Lust.«
Das entlockt Ayse ein fröhliches Grinsen. »Aber jetzt bin ich ja wieder da.«
Sie kriechen durch die enge Kiste und stehen im Wald.
Ayse blickt zu dem grünen Blätterdach hoch. »Auf jeden Fall ist nicht Winter«, stellt sie erleichtert fest. »Hochsommer, wenn du mich fragst.«
»Prima.« Tio lacht. »Ich mag Sonne und Wärme.«
»Du hast es gern sonnig und warm?«, spottet Ayse und tritt mit ihrer Sandale gegen den trockenen Sand unter ihren Sohlen. Sie zieht ihren Rucksack etwas höher. »Ich schlage vor, dass wir mal nachsehen gehen, was um Himmels willen hier passiert ist! Von wegen Überschwemmung, das kommt mir mehr wie eine Wüste vor.«
Wo einmal grüne Weiden waren und später schlammige Tümpel, wachsen nun auf dem harten, aufgesprungenen Boden eine Art Strandhafer und zähe, dornige Sträucher. Schwarze Krähen picken in den Rissen und Spalten der ausgetrockneten Erde. Es sind die einzigen Tiere, die sie sehen, und ihr Krächzen klingt nicht besonders anheimelnd.
Mit einer bösen Vorahnung geht Tio den kurvenreichen Weg bis zum Fuß des Hügels. Ayse, die nicht zurückbleiben will, reckt sich und stiefelt mit großen Schritten an ihm vorbei.
»Sie sind zurück!«, ist das Erste, was sie erfreut ruft, als sie um den Hügel herum ist und Dächer sieht, wo früher Haus und Scheunen von Thorpa und Sirpa standen. »Zumindest …« Sie runzelt die Stirn und schirmt die Augen mit der Hand gegen das helle Sonnenlicht ab.
»Auf jeden Fall ist da wieder was«, bestätigt Tio.
»Sie sind es!«, sagt Ayse. »Ich glaube, ich erkenne Sirje. Aber bitte, wir versprechen ihr diesmal keine Karten für eine Show, die sie doch nicht sehen kann!«
Sie gehen weiter. Während sich Ayse ausmalt, wie sie sich mit Sirje unterhalten wird, betrachtet Tio die neue Siedlung genauer.
»Du kannst ruhig näher kommen«, ruft Sirje, die sieht, wie er sich neugierig umschaut. Sie lacht. »Auch wenn es nichts zu gucken gibt.«
»Hier standen früher Häuser«, sagt Tio, als das Mädchen ihn an der Hand nimmt und über einen grauen staubigen Pfad zu der bescheidenen Behausung führt. »Richtige Häuser, meine ich.«
»Ja, das weiß ich. Hier haben meine, puh …« Sirje denkt nach. »Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, meine Großeltern oder so haben in richtigen Häusern gewohnt. Früher. Die hatten hier einen Bauernhof, aber das war vor der großen Trockenheit.«
»Wie kommt es, dass in dieser Gegend alles so ausgetrocknet ist?«, will Ayse wissen, die ihnen gefolgt ist. Sie hat aber eine düstere Vermutung.
»Das haben die Runji gemacht«, sagt Sirje und wirft Ayse einen befremdeten Blick zu. »Aber das weißt du doch sicher?«
»Nein, ich … ich komme von woanders her … sehr weit weg von hier.«
»Das ganze Wasser, das von den Hügeln kommt, gehört ihnen«, sagt Sirje einfach.
»Den Runji?« Ayse macht ein ungläubiges Gesicht.
»Nur das Wasser, das vom Himmel fällt, gehört uns. Das dürfen wir behalten.«
Ayse prustet los. Entsetzt sieht sie Tio an. »Nimm mir das bitte nicht übel«, sagt sie zu Sirje.
Sie hören das Meckern von Ziegen, doch statt in einem Stall stehen ein paar magere Viecher in einem Geviert aus Stacheldraht. Hier und da picken auch erbärmlich räudig aussehende Hühner im Boden herum. Von Gänsen keine Spur.
»Wohnt ihr in diesem, äh … Ding?«, fragt Tio und klopft gegen einen der Pfähle, die ein großes Stück Wellblech tragen.
»Ja, aber wir sind hier noch nicht besonders lange. Vielleicht baut mein Vater was Besseres, wenn er wieder Arbeit hat und Holz kaufen kann. Zum Glück hat meine Mutter Arbeit, auch wenn sie nicht viel verdient. Aber wenigstens genug, um Essen zu kaufen. Es gibt viele Leute in der Gegend, die Hunger leiden. Am liebsten würde mein Vater wieder einen Bauernhof aufbauen, so einen wie ihn die Menschen hier früher hatten. Und dann Ziegenkäse machen und ihn verkaufen. Er glaubt, dass er das kann.«
Na und ob, will Ayse rufen, er kann den besten Ziegenkäse der Welt machen, aber sie beißt sich auf die Zunge und sagt nichts.
Genau in diesem Augenblick kommt Thorpa aus dem armseligen Unterstand. Statt einer Tür hängt vor einer Öffnung nur ein Stück Segeltuch, das er hochhebt, um seine Tochter zu rufen. Argwöhnisch blickt er die ungebetenen Gäste an, die vor ihm stehen.
»Guten Tag«, sagt Ayse höflich.
Thorpa nickt.
»Wir, äh … wollten eigentlich
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