Bankgeheimnisse
zu schaffen.
»Ich bin nicht zum Essen aufgelegt.« Johanna stützte den Kopf in die Hände.
»Ich meinte auch eher eine flüssige Zwischenmahlzeit.« Fabio holte eine Flasche Fernet Menta aus dem Kühlschrank, goß ihn in ein hohes Glas und gab Soda hinzu. Er schnitt von einer Orange ein Stück Schale ab und warf es in den Drink. Er stellte das Glas vor Johanna auf den Tisch und setzte sich zu ihr. Sie nahm das kalte Glas und trank ein paar große Schlucke.
»Nicht so schnell«, warnte er sie. »Es schlägt dir auf den Magen.«
»Mir kann nichts mehr auf den Magen schlagen nach dem Anblick vor einer Stunde.«
»Du hast ihn gesehen?«
»Ja. Es war schlimm, Fabio.«
»Ich weiß. Er war dein Freund.«
»Das war er. Und jetzt ist er tot. Und ich kann es zum Teufel noch mal nicht begreifen.«
»Sie sagten im Radio nicht, wie es passiert ist. Weißt du etwas darüber?«
Sie starrte geistesabwesend auf die Tischplatte. Mit dem Finger zeichnete sie die grobe Maserung nach. »Zyankali. Ich hab’s gerochen. Man hat es kaum gemerkt, aber es war eindeutig. Tödlich und endgültig. Schlimmer als das andere. Weißt du, im Tod verliert der Mensch die Kontrolle über seinen Körper. Ich meine Blase, Schließmuskel und so. Nichts hält mehr so, wie es sollte.« Sie nahm noch einen Schluck. »Es war Selbstmord.« Sie stellte das Glas ab und sah hoch. »Aber warum?«
»Er könnte krank gewesen sein.«
»Krank«, sagte sie gedehnt. »Hm. Krank. Darüber habe ich bisher nicht nachgedacht. Nein, ich glaube nicht, daß er krank war. Ich hätte das gemerkt. Bestimmt.«
»Ein Mann geht mit diesen Dingen nicht hausieren. Jemand wie Klingenberg schon gar nicht.« Fabio stand auf, trat vor einen der Schränke und holte einen Korb heraus, der mit nassem Zeitungspapier bedeckt war. Johanna kniff die Augen zusammen, doch ihr Eindruck hatte sie nicht getrogen. Etwas bewegte sich unter dem Papier. Fabio zog es weg, und Johanna zuckte zusammen, als sie sah, wie die Fühler der Languste in dem Korb sich entfalteten. »He, das Biest ist ja lebendig!«
Fabio füllte an der Spüle einen Zehnlitertopf mit Wasser und stellte ihn auf einen der Gasherde. Johanna sah gegen ihren Willen fasziniert zu, wie Fabio die Languste aus dem Korb hob und hochhielt. Das Tier zappelte hilflos.
»Beißt es?«
Er lachte. »Jetzt beißt es vielleicht, aber heute abend ist es die Garnitur auf den Antipasti.«
Sie zog angewidert die Nase kraus, als er ein Messer mit einer langen, biegsamen Klinge aus dem Wandhalter nahm. »Willst du es jetzt umbringen?«
Er grinste breit. »Wie soll man es sonst essen können?« Er zog eine Rolle Bindfaden aus einer der Schubladen, schnitt mit dem Messer ein Stück herunter und hielt es augenzwinkernd hoch. »Keine Sorge, ich feßle sie, bevor ich sie töte.« Er legte die Languste auf ein Holzbrett und band sie sorgfältig fest. »Sie kommt mit dem Brett ins kochende Wasser. Die Franzosen machen das so. Von manchen Sachen verstehen sie was. Jedenfalls vom Langustenkochen. Der Schwanz krümmt sich nicht so, wenn man das Biest schön festbindet.«
»Mein Gott. Ich glaube, ich esse nie mehr Languste.«
»Das ist nicht dein Ernst. Und außerdem war die Saltimbocca, die du gestern abend hattest, letzte Woche noch ein kerngesundes Kalb.«
Sie lächelte schwach. »Hör auf. Ich werde sonst zur Vegetarierin.«
»Siehst du, jetzt lachst du wieder.« Er nahm eine saubere Küchenschürze von einem Haken und warf sie ihr zu. »Hier hast du, principessa. Dein Glas ist leer. Jetzt wird was getan.«
Johannas Miene wurde wieder ernst, aber sie band die Schürze um. Sie brauchte Gesellschaft. Sie brauchte Ablenkung. Sie wollte das Alleinsein noch eine Weile hinausschieben, denn sie wußte, daß dann die Erinnerung an die Ereignisse des Morgens mit Macht über sie hereinstürzen würden. »Erwarte aber nicht von mir, daß ich etwas Lebendiges anfasse!«
»Ich erwarte von dir, daß du für dein Essen arbeitest.« Er zog eine Knoblauchkette aus einem der Körbe, die von der Decke herabhingen, und legte sie zusammen mit einem Brett und einem Schälmesser auf den Tisch. »Da. Fünf Stück dürften reichen für heute abend. Du brauchst sie nur zu schälen. Das Zerdrücken wäre nichts für dein Kleid.«
Johanna löste vorsichtig eine Zehe aus der Knolle. Fabio stellte eine Kupferkasserolle auf den Herd, zündete die Gasflamme an und erhitzte Öl. »Erzähl mir von ihm«, sagte er sanft. »Kennst du ihn schon lange? Du hast irgendwann mal
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