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Das Leuchten des Himmels

Das Leuchten des Himmels

Titel: Das Leuchten des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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Prolog
    Tagebucheintragung 12. Februar 1988
    Gegen Mittag auf dem Sun Glacier gelandet. Der Hinflug hat mir den Kater aus den Knochen gerüttelt und die erstickenden Wurzeln der Realität durchtrennt, von der die Welt unten beherrscht wird. Ein klarer Himmel, wie ein blauer Kristall. Ein Himmel, wie man ihn auf Postkarten klatscht, um die Touristen zu ködern, dazu eine kalte weiße Sonne komplett mit Nebensonne. Ich begreife das als günstiges Zeichen für unseren Aufstieg. Der Wind bläst mit über zehn Knoten. Es hat milde zweiundzwanzig Grad unter Null. Der Gletscher ist so breit wie die Taille der Hure Kate und eisig wie ihr Herz.
    Aber sie hat uns gestern Abend doch ganz anständig verabschiedet. Und uns sogar eine Art Gruppenrabatt gewährt.
    Ich weiß nicht, was zum Teufel wir hier zu suchen haben, aber irgendwo muss man ja sein und was machen. Und eine Winterbesteigung des No Name eignet sich dafür genauso wie alles andere, ist sogar noch besser als das meiste.
    Ein Mann braucht hin und wieder eine Abenteuerwoche, ein Abenteuer ohne schlechten Schnaps und leichte Mädchen. Wie soll man auch sonst den Alkohol und die Frauen schätzen lernen, wenn man sich nicht eine Weile von ihnen fern hält?
    Und weil ich ein paar Kumpels aus Lunatic traf, wendete sich bei mir nicht nur das Glück am Kartentisch, sondern die Stimmung ganz allgemein. Für mich gibt es kaum was Öderes als einen festen Job in der Tretmühle, aber die Frau schaffte es doch immer wieder, sie anzuwerfen. Mein Gewinn jedoch sollte meine Mädchen zufrieden stellen, und ich genehmige mir jetzt ein paar Tage ganz für mich mit ein paar Kumpels.
    Ich brauche das einfach, muss mich den Elementen entgegenstemmen
und in der Gesellschaft anderer Männer Kopf und Kragen riskieren, damit ich spüre, dass ich lebe. Etwas nicht für Geld oder aus Pflicht tun, und auch nicht, weil eine Frau dir damit auf den Sack geht, sondern aus reiner Idiotie – das belebt den Geist.
    Dort unten wird es mir langsam zu voll. Straßen führen in Gegenden, wohin sie noch nie geführt haben, Menschen wohnen dort, wo noch nie einer gelebt hat. Als ich anfangs herkam, waren es noch nicht so viele, und die Bundesbehörden hatten auch nicht alles unter Kontrolle.
    Eine Erlaubnis zur Besteigung? Um auf einen Berg zu gehen? Zum Teufel damit, und zum Teufel auch mit all den verklemmten Föderalisten, ihren Regeln und Vorschriften. Die Berge gab es schon lange, bevor irgend so ein Regierungsbürokrat dahinter kam, dass man daraus Kapital schlagen kann. Und sie werden ebenfalls noch da sein, wenn er schon längst sein rotes Absperrseil in der Hölle spannt.
    Und jetzt bin ich hier, auf Grund und Boden, der keinem gehört. Heiliger Boden kann keinem gehören.
    Gäbe es die Möglichkeit, auf dem Berg zu leben, würde ich mein Zelt aufschlagen und nie mehr weggehen. Aber heilig oder nicht, er wird dich umbringen, und zwar schneller als eine nörgelnde Ehefrau, und weitaus weniger gnädig.
    Also genehmige ich mir meine Woche mit Gleichgesinnten und klettere auf diesen Gipfel, der keinen Namen hat und sich über die Stadt und den Fluss und die Seen erhebt und die Grenzen umgeht, welche die Föderalisten dem Land aufzwingen, und deren kläglichen Versuchen spottet, es zu bändigen und Schutzzonen einzurichten. Alaska gehört einzig sich selbst, egal mit wie vielen Straßen oder Schildern oder Regeln man es überzieht. Alaska wirkt wie die letzte der wilden Frauen, und Gott liebt diese Wildnis dafür. Ich jedenfalls tue es.
    Wir haben unser Basislager aufgebaut, und schon ist die Sonne hinter dem hohen Gipfel untergegangen und hat uns in winterliche Dunkelheit getaucht. In unserem Zelt zusammengekauert, lassen wir es uns schmecken, ein Joint macht die Runde, und wir reden vom morgigen Tag.
    Morgen steigen wir auf.

1
    Auf dem Weg nach Lunacy 28. Dezember 2003
    Festgeschnallt in der flatternden Suppendose, die sich lächerlicherweise Flugzeug nannte, und auf der holprigen Luft durch das mickrige Lichtfenster, wie es der Winter zu bieten hat, durch die Lücken und Einschnitte schneebedeckter Berge ruckelnd und sich auf eine Stadt namens Lunacy zubewegend, hatte Ignatious Burke eine Erscheinung.
    Er war auf den Tod bei weitem nicht so gut vorbereitet, wie er gedacht hatte.
    Es war schon eine wahnsinnige Erfahrung, sich klar zu machen, dass sein Leben in den Händen eines Fremden lag, der in seinem kanariengelben Parka fast versank und dessen Gesicht sich unter einem ramponierten Lederhut

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