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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Kapitel 1

    »Du Schweinepriester hast mich doch nicht auf einen Humpen Bier eingeladen, weil ich so ein netter Kerl bin«, lachte der vergantete Medicus und stieß mit dem großzügigen Spender an. Wie alle Staufner wusste auch Heinrich Schwartz, dass der Ortsvorsteher Ruland Berging geizig und nicht der Typ war, etwas ohne Hintergedanken zu tun. Aber dies war dem Arzt egal; Hauptsache, er hatte etwas zu saufen und, noch wichtiger, es kostete ihn keinen Heller.
    »Natürlich nicht, mein Freund«, bestätigte der bärtige Geselle, der ihm im Wirtshaus ›Zur Krone‹ an einem kleinen Tisch gegenübersaß, an den sich ehrbare Männer nur setzen würden, wenn sie durch die Folter desjenigen, für den dieses Tischlein reserviert war, dazu gezwungen würden. Dass der Ortsvorsteher Ruland Berging ausgerechnet den Henkerstisch ausgewählt hatte, war – wie alles, was er tat – kein Zufall. Abgesehen davon, dass die beiden am Stammtisch ohnehin nicht gelitten waren, hatte dieser kleine herunterklappbare Tisch den Vorteil, dass er allseits gemieden wurde, weswegen er – so voll das beliebte Wirtshaus auch sein mochte – immer frei war. Zudem konnte man sich dort ungestört unterhalten.
    Ruland Bergings Blicke suchten die des Arztes zu durchdringen, was durch den wässrigen Schleier in dessen Augen nur schwerlich gelang.
    »Wir beide haben schließlich etwas zu feiern. Du deine bevorstehende Ernennung zum Dorfmedicus und ich …«, bevor er weitersprach, grinste er vielsagend, »meine baldige Absetzung als Ortsvorsteher!«
    »Was feiern wir? Meine Ernennung?« Der Medicus lachte hämisch und schüttelte ungläubig den Kopf. »Und deine Absetzung? … Ich verstehe nicht«, wunderte er sich. »Was gibt’s denn da zu feiern, wenn man rausgeschmissen wird? Du hast das Amt des Ortsvorstehers doch erst seit ein paar Wochen inne. Und was mich angeht, so mag ich zwar ein ortsbekannter Säufer sein, bin aber immer noch ein Doctori Medizinale, auch wenn ich momentan nicht offiziell bestallt bin und nichts in Aussicht ist.« Als er dies sagte, senkte er verschämt den Blick. Offensichtlich schien es ihm doch etwas unangenehm zu sein. Aber er fasste sich schnell wieder und blaffte sein Gegenüber an: »Von was für einer Ernennung sprichst du also?«
    »Ich erkläre dir alles später«, blockte der unbeliebte Ortsvorsteher ab und hob seinen Becher zum Anstoßen. »Allseitige Gesundheit!«, rief er, obwohl er es nicht so meinte. Da dies der Medicus nicht wissen konnte, nuschelte er ebenfalls ein »Xundheit« und leerte den Becher in einem Zug.
    Nach einer Pause sagte Ruland Berging trocken: »Ich habe große Pläne mit dir. Es gibt bald viel zu verdienen.«
    »Wie viel?«, wollte Heinrich Schwartz, dessen Augen bei diesen Zauberworten sofort zu glänzen begannen, wissen.
    »Gemach, gemach«, bremste der Ortsvorsteher den neugierig gewordenen Medicus und begann, sein Netz auszuwerfen. »So wie ich die Sache sehe, haben wir beide unrühmliche Vergangenheiten. Stimmt’s?«
    »Was geht dich meine Vergangenheit an? Immerhin bin ich ein ordentlicher Arzt, der sicherlich bald wieder offiziell bestallt werden wird, und kein Ortsvorsteher, den man hinausschmeißt«, lästerte der versoffene Medicus hämisch.
    »Ja, du bist Arzt. Aber ordentlich? Na ja! Jedenfalls hast du keine Arbeit. Mach hier also keinen auf fein«, rügte der Ortsvorsteher sein Gegenüber und fuhr fort: »Deswegen weiß ich noch nicht, ob ich dir auch vertrauen kann. Bevor ich dies tun werde, muss ich mehr von dir erfahren.«
    »Machst du Witze? Du willst mehr von mir erfahren, bevor du mir vertraust? Und ich? Was weiß denn ich von dir? Kann ich dir überhaupt vertrauen?«, konterte der arbeitslose Arzt und leerte in seinem Zorn den nächsten Becher in einem Zug.
    Es folgte ein Moment des Schweigens. Die frostige Stimmung nutzte Ruland Berging, um zu überlegen, wie er den Medicus dazu bringen konnte, ihm blind zu vertrauen und ihn als Komplizen zu gewinnen. Deswegen schlug er eine andere Taktik ein als geplant. »Du hast recht, Heinrich. Da wir beide zu wenig voneinander wissen und ich – wie gesagt – Großes mit dir plane, schlage ich vor, dass wir uns gegenseitig in aller Offenheit unser bisheriges Leben erzählen.«
    »Aber nur in Kurzform!«, schlug der Medicus, der lieber soff als redete, vor.
    »Gut! Wer fängt an? Sollen wir toppeln?«
    »Quatsch. Ich habe heute keine Lust auf ein Würfelspiel. Wenn meine Stimmbänder nicht so trocken wären, würde ich dir

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