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Die standhafte Witwe

Die standhafte Witwe

Titel: Die standhafte Witwe
Autoren: Julie Garwood
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PROLOG
Das Kloster von Barnslay, England 1200
    »Heiliger Bischof Hallwick, könnt Ihr uns die Hierarchie im Himmel und auf Erden erklären? Wen achtet Gott am höchsten?« fragte einer der beiden Schüler.
    »Stehen die Apostel nicht an erster Stelle in Gottes Gnaden?« warf der zweite Schüler ein.
    »Nay«, antwortete der weise Bischof. »Der Erzengel Gabriel, der Beschützer der Frauen und Kinder, der Schutzpatron der Unschuldigen steht über allen anderen.«
    »Und wer ist der nächste?« fragte der erste Schüler wieder.
    »Natürlich all die anderen Engel«, gab der Bischof zurück. »Dann kommen die zwölf Apostel, von ihnen Petrus an erster Stelle, dann folgen die Propheten und die Wundertäter und all die guten Prediger von Gottes Werk auf Erden. Und schließlich kommen all die andern Heiligen im Himmel.«
    »Aber wer ist der Wichtigste hier auf Erden, Bischof Hallwick? Wer steht hier in Gottes höchster Gunst?«
    »Der Mann«, kam die Antwort sofort. »Und der höchste und wichtigste unter den Männern ist unser Heiliger Vater, der Papst.«
    Die beiden Schüler nickten zustimmend. Sie saßen auf einer Steinmauer. Thomas, der ältere der beiden jungen Männer, beugte sich konzentriert vor. »Als nächstes folgen die Kardinäle und dann die anderen Würdenträger Gottes«, griff er vor.
    »So ist es«, bestätigte der Bischof, zufrieden über die kluge Antwort seines Schülers.
    »Und wer kommt an nächster Stelle?« wollte der zweite Schüler wissen.
    »Nun, die herrschenden Häupter der Königreiche hier auf Erden«, erklärte der Bischof. Er setzte sich in die Mitte der hölzernen Bank, die vor der Mauer stand, breitete seine reichverzierte, schwarze Robe sorgfältig aus und fügte dann hinzu: »Solche Führer, die die Schätze der Kirche vergrößern, liebt Gott natürlich mehr als jene, die das Gold zu ihrem eigenen Nutzen horten.«
    Drei weitere junge Männer kamen herzu, um der Lektion ihres heiligen Oberhauptes zu lauschen. Sie ließen sich im Halbkreis zu Füßen des Bischofs nieder.
    »Kommen verheiratete und dann unverheiratete Männer an die Reihe?« fragte Thomas.
    »Aye«, gab der Bischof zurück. »Und sie haben den gleichen Stellenwert wie die Kaufleute und die Sheriffs, doch sie stehen nur wenig über den Leibeigenen, die an das Land gekettet sind.«
    »Wer folgt dann, Bischof?« fragte der zweite Schüler.
    »Die Tiere, und das treueste, der Hund, ganz an der Spitze«, antwortete der Bischof, »während der dumme Ochse an letzter Stelle steht. So, ich glaube, nun habe ich euch die ganze Hierarchie erklärt, damit ihr sie eines Tages euren Schülern vermitteln könnt, wenn ihr die Gelübde abgelegt habt und Priester geworden seid.«
    Thomas schüttelte den Kopf. »Ihr habt die Frauen vergessen, Bischof Hallwick. Wo stehen denn die Frauen in Gottes Liebe?«
    Der Bischof rieb sich die Stirn, während er über die Frage nachdachte. »Ich habe die Frauen nicht vergessen«, sagte er schließlich. »Sie stehen zuallerletzt in Gottes Gnaden.«
    »Hinter dem dummen Ochsen?« fragte der zweite Schüler.
    »Aye, hinter dem Ochsen.«
    Die drei jungen Männer, die auf dem Boden saßen, nickten zustimmend.
    »Bischof?« fragte Thomas.
    »Was ist, mein Sohn?«
    »Habt Ihr uns Gottes Hierarchie oder die der Kirche erklärt?«
    Der Bischof war entsetzt über diese Frage. Sie erschien ihm geradezu als Blasphemie. »Sie sind ein und dasselbe oder etwa nicht?«
    Ein großer Teil der Männer des Mittelalters glaubte, daß Gottes Sichtweise stets einwandfrei von der Kirche interpretiert wurde.
    Einige Frauen wußten es besser. Dies ist die Geschichte einer solchen Frau.

KAPITEL 1
England, 1206
    Die Nachricht würde sie umbringen.
    Keimet, ihrem treuen Haushofmeister und ältesten Bediensteten, seit Baron Raulf Williamson in persönlichem Auftrag des Königs England hastig verlassen hatte, oblag es, seiner Herrin diese schreckliche Neuigkeit beizubringen. Der Diener wollte die gefürchtete Pflicht nicht aufschieben, denn er nahm an, Lady Johanna würde die beiden Boten befragen wollen, bevor sie nach London zurückritten. Falls seine Herrin dazu noch in der Lage sein sollte, nachdem sie die Nachricht über ihren geliebten Gatten vernommen hatte.
    Aye, er mußte es der edlen Lady sobald wie möglich sagen. Keimet war sich dessen nur allzu bewußt. Doch obwohl er es hinter sich wissen wollte, wurden ihm die Schritte doch unendlich schwer und mühsam, als er zur gerade fertiggestellten Kapelle hinüberging, wo Lady
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