Mit einem Kuss find alles an ...
1. KAPITEL
Endlich habe ich sie gefunden!
Principe Massimo D‘Aquila parkte sein schnittiges schwarzes Mercedes Coupé unter einer defekten Straßenlaterne direkt vor der Tankstelle und spähte aufmerksam zum Shop. Grelles Licht drang aus den Fenstern und erhellte die verschneite Nacht wie ein Leuchtfeuer in der Finsternis. Die Frau, die an der Kasse arbeitete, war deutlich zu erkennen.
Lucia Ferrazzi.
Die Enkelin seines privaten Erzfeindes und dazu die Exgeliebte seines schärfsten geschäftlichen Rivalen.
Il destino …
Das Schicksal musste eingegriffen haben. Wie sonst sollte er es sich erklären, dass er sie nach all den Jahren der vergeblichen Suche plötzlich gefunden hatte?
Sein Handy klingelte. Er klappte es auf.
Ermanno, sein Chef-Bodyguard, der in einem anderen Wagen direkt hinter dem Mercedes saß, sagte nur ein einziges Wort. „Sig nore?“
„Warten Sie auf mein Signal“, erwiderte Massimo auf Italienisch und klappte das Handy wieder zu.
Geduldig blieb er sitzen und beobachtete die Frau mit großem Interesse. Es war zehn Uhr am Silvesterabend. Eigentlich hätte der Shop überquellen sollen vor Kunden, die Nachschub an Wein oder Bier brauchten. Aber das heruntergekommene Viertel von Chicago Süd lag fast verlassen da. Es wirkte wie ausgestorben und geradezu unheimlich düster im dichten Schneefall.
Die Frau bediente ihren einzigen Kunden mit einem schüchternen Lächeln. Das ungeschminkte Gesicht wirkte jünger als einundzwanzig. Ein dunkles Brillengestell mit dicken Gläsern in Form von Katzenaugen verlieh ihren blassen Zügen den Anschein eines faden Bücherwurms.
Es wird ein Kinderspiel, sie für mich zu gewinnen, dachte Massimo siegessicher.
Der einsame Kunde ging hinaus und verschwand in der Nacht. Kurz darauf schlitterte ein graues Auto über den vereisten Vorplatz und kam in der Nähe einer Zapfsäule zum Stehen. Ein dünner Mann stieg aus. Mit unverkennbar lüsternem Blick spähte er zu der Frau an der Kasse hinüber, sprühte sich Atemfrisch in den Mund und eilte zur Eingangstür des Shops.
Das Gesicht der Frau verriet Beunruhigung, als sie den Besucher kommen sah. Nervös presste sie die vollen rosigen Lippen zusammen. Offensichtlich fürchtete sie sich vor dem dünnen Mann.
Massimo lächelte grimmig vor sich hin. Noch wusste sie nicht, wie sehr sich ihre Welt ändern sollte. Denn von nun an stand sie unter seinem persönlichen Schutz.
Noch bevor die Uhr Mitternacht schlug, sollte sie seine Braut werden.
Und damit wird meine Rache vollendet sein. Und was die ande re Sache angeht …
Entschieden verdrängte er diesen quälenden Gedanken. Er wollte sie zur Frau nehmen, um in drei Monaten endgültig frei zu sein. Frei von allem.
„Oh nein“, flüsterte Lucy Abbott mit einem frustrierten Stöhnen.
Sie lehnte die Stirn an die Glasscheibe, die den Kassenbereich vom Verkaufsraum trennte, und beobachtete, wie Darryl, der schmierige Geschäftsführer, zum Eingang eilte. Sie hatte inständig gebetet, dass er an diesem Abend nicht auftauchen möge, um „den Shop zu checken“, wie er es beschönigend nannte. Dass er ein Date hatte oder zu einer Silvesterparty eingeladen war.
Es ist ja bloß noch eine Woche, rief sie sich mit einem tiefen Atemzug in Erinnerung. Nur noch eine Woche lang musste sie wohl oder übel Belustigung über Darryls derbe Witze vortäuschen, seine lüsternen Blicke auf ihren Busen über sich ergehen lassen und die „versehentlichen“ Zusammenstöße seiner Lenden mit ihrem Po erdulden, die er in den schmalen, mit Chips und Süßigkeiten gefüllten Gängen des Shops zu inszenieren pflegte.
Sie hatte sich nämlich bei einem nahe gelegenen Geschäft als Assistentin des Filialleiters beworben und brauchte gute Referenzen, damit der Arbeitsvertrag, der in der kommenden Woche unterzeichnet werden sollte, wirklich zustande kam. Danach konnte sie Darryl für immer Adieu sagen. Vor allem aber stand ihr eine saftige Gehaltserhöhung bevor, die es ihr ermöglichte, zum ersten Mal seit der Geburt ihrer Tochter mit einer einzigen Anstellung über die Runden zu kommen. Somit brauchte sie künftig nur noch vierzig statt sechzig Wochenstunden zu arbeiten. Sie konnte die beiden Nebenjobs kündigen und tagtäglich kostbare Zeit mit ihrem Baby verbringen.
Baby? Chloe ist ja fast kein Baby mehr. Morgen ist schon ihr erster Geburtstag …
Sie konnte es kaum fassen. Weil sie so schuften musste, um die Kosten für Miete, Arztbesuche und Kinderhort aufzubringen, blieb ihr
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