0050 - Der Stein des Satans
hundertfachen Tod? Ein kühler Luftzug ließ ihn schauern. Keine Sekunde hatte er gezögert, die Entscheidung zu treffen. Erst jetzt spürte er den Zwiespalt, spürte etwas wie Furcht vor sich selbst, und wieder glaubte er, die dunklen Worte jenes geheimnisvollen Fremden zu hören.
»Leonardo… Höre mich! Wehre dem Bösen, das von dir Besitz ergriffen hat … Leonardo wird seine Seele dem Teufel verschreiben…«
»Nein!«, flüsterte er. »Niemals! Niemals wird das geschehen…«
Er schauerte. Kalt strich der Wüstenwind über seine Haut, er zog den weißen Mantel enger um die Schultern. Brünne und Helm hatte er abgelegt, nur das Schwert trug er an der Seite. Er wusste, dass er nicht würde schlafen können. Langsam ging er durch das Lager, vorbei an den glimmenden Feuern, und schließlich verharrte er vor dem letzten Zelt, in dem er die Schatztruhe mit dem kostbaren Brillanten verborgen hatte.
Ein Schwert klirrte leise. Alphart stand auf seinen Schild gelehnt und hielt Wache. Seine Brünne war noch blutig von der Schlacht, das Gesicht grau unter der Sonnenbräune, die Augen brannten.
»Schlaf«, murmelte Leonardo. »Ich übernehme die Wache.«
»Aber warum…«
»Schlaf, Alphart! Ich kann es ohnehin nicht, ich bin nicht müde. – Nein, hilf mir zuerst, mich wieder zu wappnen…«
Schweigend betrat er das Zelt. Alphart reichte ihm Brünne, Helm und Schild, dann entfernte er sich rasch in Richtung auf die Feuer.
Leonardo lauschte auf das unruhige Murmeln der Männer in der Dunkelheit. Nur noch wenige waren übrig. Morgen würden sie zum Meer ziehen, ein geschlagenes Heer auf der Flucht. Und was die Zukunft brachte…
Seine Gedanken stockten.
Es war weder Hufschlag, der ihn warnte, noch sonst ein Geräusch.
Das Amulett an seiner Brust schien plötzlich zu brennen, aufzustrahlen, lebendig zu werden. Wie unter einem Zwang wandte Leonardo den Kopf – und da sah er den Reiter auf dem nachtdunklen Hengst, der über ihm auf der Kuppe des Sandhügels verharrte.
Der Fremde!
Jener Mann, der das gleiche Amulett trug wie er selbst und dessen dunkle Worte ihn tief erschreckt hatten. War es also doch kein Traum gewesen, die Begegnung in der Wüste, an die er sich so seltsam undeutlich erinnerte? Leonardo grub hart die Zähne in die Unterlippe. Immer noch brannte die düstere Prophezeiung in ihm – und wie ein Blitzstrahl durchzuckte ihn der Gedanke, den Fremden zu zwingen, ihm mehr zu sagen.
Seine Rechte schloss sich um den Schwertgriff.
Langsam, wie unter einem Zwang ging er dem Unbekannten entgegen. Dunkel fühlte er, dass es sein Schicksal war, dem er entgegenging – und die Feuer des Heerlagers schienen hinter ihm zu versinken.
***
Zamorra glitt vom Pferd.
Wieder glaubte er, die Schwingungen einer unbekannten Energie wahrzunehmen – er konnte die Nähe des Amuletts um Leonardos Hals fast körperlich spüren. Der Kreuzritter kam näher, und Zamorra fragte sich, was ihn dazu bewog, sich allein zu stellen, statt seine Gefolgsleute zu alarmieren. Erinnerte er sich der ersten Begegnung?
Hatte er den Dämon gespürt und suchte jetzt nach der Lösung des Rätsels? Zamorra wartete, und genau wie sein Gegenüber legte er die Hand an den Griff des Schwertes.
Leonardos Blick war unsicher, verwirrt. Er spürte, dass der fremdartig gekleidete Mann neben dem schwarzen Pferd nicht in seine Welt gehörte, obwohl er keine Erklärung dafür hatte. An seiner Brust glitzerte und sprühte das Amulett, schien zu leben – und wieder erschrak Leonardo vor der Kraft, die in dem Talisman wohnte.
Seine Stimme klang leise. Der Tonfall passte nicht zu den kriegerischen Worten.
»Hier Montagne und Nevers! Für Kaiser und Papst gegen alle Ungläubigen! Wer bist du?«
»Man nennt mich Zamorra«, sagte der Professor ruhig.
»Was willst du? Schon einmal sah ich dich, und du hast mich verhext, sodass ich mich nicht erinnern konnte.« Seine Stimme schlug um, und eine steile Falte grub sich in seine Stirn. »Zamorra heißt du? Bist du ein Magier, dass du es wagst, die Zukunft zu verkünden.«
»Ich kenne die Zukunft! Ich habe dein Schicksal gesehen, Leonardo de Montagne.«
»Da lügst du! Niemand kann…«
»Ich kann es. Die Zukunft und die Vergangenheit sehe ich. Du hast den ›Stern des Morgenlandes‹ geraubt, und Achman wird dich dafür verfluchen. Zu einem Dämon wirst du werden und niemals Ruhe finden, wenn du den Stein nicht zurückgibst!«
Leonardo zuckte zusammen. Seine Augen brannten.
»Lüge! Ich glaube dir
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