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009 - Der Engel von Inveraray

009 - Der Engel von Inveraray

Titel: 009 - Der Engel von Inveraray Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karyn Monk
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seine Verspannungen, ergriff jede Faser seines Körpers und linderte den pochenden Schmerz, der ihn die ganze Nacht hindurch gequält hatte. Seine Benommenheit ließ allmählich nach. Die Uhr schlug noch immer in regelmäßigem Takt. Irgendwo in der Ferne unterhielten sich Menschen, doch ihre Stimmen waren zu gedämpft, als dass er hätte verstehen können, was sie sagten. Es schien nicht von Bedeutung zu sein.
    Der Duft frisch gebackenen Brotes lag in der Luft und verband sich mit dem würzigen Geruch von siedendem Fleisch und Gemüse. Er zögerte, die Augen aufzuschlagen - aus Furcht, sich in seiner stinkenden, schmutzigen Zelle wieder zu finden, wo ihn nichts weiter erwartete als der Tod.
    Die Tür ging auf, und er vernahm leise Schritte und das seidige Rascheln von Röcken.
    Ein frischer Duft wehte durch den Raum, eine betörende Mischung aus Orangenseife und exotischen Blüten, die er nicht zu benennen wusste. Er blieb völlig reglos liegen, obwohl er hellwach war, seit die entzückende Miss MacPhail den Raum betreten hatte. Trotz seiner Schwäche und seiner Verletzungen begann sich sein Körper zu regen. Er sehnte sich nach der Berührung ihrer weichen kühlen Hand auf seiner Haut, der Nähe ihrer üppigen Brüste, wenn sie sich über ihn beugte, um die Decken zurechtzuzupfen, und vielleicht sogar nach dem Kreisen des feuchten Waschlappens auf seinem wunden Fleisch.
    Sie berührte ihn nicht, sondern verharrte still und reglos in einiger Entfernung. Er spürte, dass etwas nicht in Ordnung war, und öffnete die Augen.
    „Guten Morgen, Lord Redmond."
    Ihre Stimme klang kühl. Doch es war ihr Gesichtsausdruck, der ihn am meisten beunruhigte. Fort war die zärtliche Sorge, mit der sie ihn betrachtet hatte, als er ihr auf dem Boden der Gefängniszelle liegend zum ersten Mal in die Augen gesehen hatte. Er konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, wie sie ihn letzte Nacht angeschaut hatte, doch er war sicher, dass in ihrem Blick nicht diese angespannte Feindseligkeit gelegen hatte. Wie konnte sie ihn all die langen Stunden derart hingebungsvoll gepflegt haben und ihn nun so argwöhnisch angucken?
    „Was ist geschehen?" erkundigte er sich rau.
    „Ich möchte etwas von Ihnen wissen, Lord Redmond", begann sie, ohne auf seine Frage einzugehen. „Und Sie müssen mir geloben, dass Sie mir ungeachtet der möglichen Folgen ehrlich antworten. Das ist in meinen Augen das Mindeste, was Sie für mich tun können angesichts der Risiken, die ich auf mich genommen habe, um Ihnen zu helfen. Versprechen Sie mir das?"
    Kalte Verzweiflung ergriff ihn. Einen Augenblick lang hatte er sich der trügerischen Hoffnung hingegeben, er sei beinahe in Sicherheit. Doch das war er nicht. Er war so schwach, dass er nicht einmal laufen konnte, und falls diese entzückende aufgeregte Frau beschloss, ihn den Behörden auszuliefern, würde er noch vor Sonnenuntergang hingerichtet werden. Er war kein Mann, der es gewohnt war, schwach oder verletzlich zu sein, und die Tatsache, dass sein Leben an einem seidenen Faden hing, erfüllte ihn mit ohnmächtiger Wut.
    „Sie haben mein Wort." Haydon entschied, dass es keinen Sinn hatte, sie anzulügen.
    Es war offenkundig, dass sie ohnehin bereits von seinem Verbrechen wusste.
    Sie zögerte, als habe sie Schwierigkeiten, ihre Frage in Worte zu kleiden.
    „Haben Sie den Mann getötet?" platzte sie schließlich heraus.
    „Ja."
    Es sprach für sie, dass sie nicht schreiend aus dem Zimmer flüchtete, sondern wie angewurzelt stehen blieb. An ihrem leichten Schwanken jedoch erkannte er, dass sein Geständnis sie erschüttert hatte, was er zutiefst bedauerte.

    „Warum?" Ihre Stimme verriet Entsetzen.
    „Weil er versucht hat, mir ein Messer in die Brust zu rammen, und mir die Vorstellung nicht besonders gefiel."
    Sie blickte ihn zweifelnd an. „Warum wollte er Sie umbringen?"
    „Wenn ich das wüsste oder eine Ahnung hätte, wer er und seine drei Kumpane waren, hätte ich gewiss ein milderes Urteil bekommen. Leider besaßen meine Angreifer nicht die Freundlichkeit, sich vorzustellen." Beim Versuch sich aufzusetzen, zuckte er zusammen.
    Sie machte keine Anstalten, ihm behilflich zu sein. „Constable Drummond sagte, es gebe keine Beweise dafür, dass es sich tatsächlich um vier Angreifer gehandelt hat."
    „Constable Drummond ist ein bösartiger, widerlicher, unzufriedener Mann, dessen Mangel an Freude und Zuwendung im Leben ihn dazu verleitet, beinahe jeden, der ihm über den Weg läuft, mit

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