0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
Luciano war der erste Gangster-Milliardär. William Levitt erfand die Massenproduktion von billigen Reihenhäusern und machte so die amerikanischen Suburbs möglich. Leo Burnett brachte Werbeindustrie und Fernsehen zusammen. Aus Thomas Watsons Büromaschinenfabrik wurde der erste Computergigant, IBM (International Business Machines Corporation). Und Ray Kroc, der die Würstchenbude der Brüder McDonald in ein Fastfood-Imperium verwandelte, wirft mit seinem Business-Credo noch einmal ein Schlaglicht auf das Motto dieses Textes: Eat the Rich. Was sagte er über die Konkurrenz? »This is rat eat rat, dog eat dog. I’ll kill ’em, and I’m going to kill ’em before they kill me.«
Über den Reichsten unter den Reichen der Gegenwart, über den virtuellen Räuberbaron der Jahrtausendwende, Bill Gates, kann ich aus Zeitgründen nur wenig sagen. Vielleicht nur, dass auch dieser Titan Ray Krocs Credo beherzigt. »Er ist unermüdlich, ein Darwinist. Erfolg heißt für ihn Plattmachen der Konkurrenz«, schreibt Bob Glaser, ein früherer enger Mitarbeiter von Gates. Da ist es nur eine Fußnote, dass ungefähr ein Viertel der 33000 Microsoft-Beschäftigten inzwischen Millionäre sind. Was ist heutzutage schon ein Millionär? Oder dass es im Internet eine Seite gibt, Bill Gates’ Wealth Watch Clock, auf der abzulesen ist, dass er auf jeden Fall reicher als ganz Mittelamerika bleibt?
Entscheidend sind die ökonomischen, sozialen und politischen Hintergründe solchen Reichtums. Mit dem Ende des Kalten Kriegs wurden die einst den Militärs und Geheimdiensten vorbehaltenen Informations- und Kommunikationstechnologien zum lukrativsten Geschäftsfeld. Dies wiederum ermöglichte die ungehemmte Explosion der globalen Finanzmärkte. Und dadurch wurden nationaleGrenzen irrelevant. Über dieses globale Niemandsland beginnt nun der E-Commerce zu rasen.
Zu allem Überfluss reißt die neue elektronische Technologie auch die Grenzen zwischen den Sphären des Privaten und des Öffentlichen nieder. Private E-Mail ist ein Widerspruch in sich. Nichts mehr ist nicht öffentlich, aber zugleich kann auch alles privatisiert werden. Und niemand verdient an diesem in aller Öffentlichkeit stattfindenden allgemeinen Privatisierungsprozess mehr als die letzten Privatmenschen, die Milliardäre.
Der Mythos von den Segnungen der Schaffung privaten Reichtums ist durch die Bewusstseinsindustrie zu einer fast unwiderstehlichen materiellen Gewalt geworden. Erliegen wir dieser Obsession inzwischen nicht alle? Höchstens unsere Mitbürger aus den neuen Bundesländern erschrecken noch darüber, dass Geld tatsächlich die Welt regiert.
Von der Nützlichkeit der Milliardäre
Doch gerade den Milliardären war ihr eigener Mythos nie ganz geheuer. So kam die moderne, milliardenschwere Philanthropie in die Welt. Ted Turner, Miteigentümer von CNN und Time Warner, hat 1998 sogar den Vereinten Nationen eine Milliarde Dollar in Gestalt einer Stiftung zukommen lassen. Nicht uneigennützig. Immerhin aber machte Turner, dem seine Frau Jane Fonda 4 vielleicht manches aus der Flower-Power-Zeit zuflüsterte, schon vor einiger Zeit auf Folgendes aufmerksam. Den meisten Milliardären, schrieb er, bedeute die Rangliste der Reichsten auf dieser Welt, die das Forbes -Magazin regelmäßig veröffentlicht, sehr viel. Mehr wahrscheinlich als den Tennisspitzenspielern ihre Computerliste. Man tut alles, um oben zu bleiben. Also raffen die Milliardäre und raffen und behalten ihre Eier im Korb. Dieser Listenplatz-Ehrgeiz mindere dann aber auch massiv die Bereitschaft, beklagt Turner, Stiftungen zu gründen oder auf andere Weise zum Gemeinwohl beizutragen. Turner schlug deshalb eine neuartige Rangliste vor, eine Rangliste der freigiebigsten Philanthropen auf dieser Welt. Gäbe es eine solche Liste,fügte Turner hinzu, wäre vielleicht auch Bill Gates schon spendierfreudiger.
Doch die Dinge werden fragwürdig, wenn durch Philanthropie direkte Eingriffe in Politik, Kultur und sogar Religion erfolgen. Dies aber geschieht in wachsendem Umfang. Oskar Lafontaine zitiert in seinem neuen Buch 5 den amerikanischen Soziologen Norman Birnbaum: »Die internationale Elite der multinationalen Konzerne beherrscht nicht nur die Produktionsmittel, sondern inzwischen auch die Mittel zur politischen Willensbildung.«
Milliardäre bestimmen – mittels eines Geflechts von Stiftungen und Organisationen und durch die Informationsindustrie – das Bildungswesen ganzer Länder; ihnen gehören
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