0146 - Höllenfahrt im Todesstollen
dem Friedhof von Chattering ein gleichermaßen mysteriöses wie grauenvolles Erlebnis. Er sah eine wunderschöne rothaarige Frau, die vor dem Grab von Professor Francis Madderby stand. Als er auf sie zuging, wandte sie ihm ihr Gesicht zu. Was glaubst du, zierte ihre Stirn, John?«
»Hörner!« antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.
»Richtig!« bestätigte Tony Ballard.
»Asmodina!« entfuhr es mir.
»Jawohl, John. Asmodina, eine deiner erbittertsten Feindinnen, kam nach Chattering, um die Toten aus ihren Gräbern zu holen. Ich vermute, die Tochter des Teufels beabsichtigt die Toten gegen die Lebenden einzusetzen. Konkret will ich damit sagen, dass Madderby und seine Begleiter sich zwischen Cornell Kendall und die Leute im Dorf stellen werden. Damit Kendall ungestört nach dem Teufelsstein suchen kann. Wenn er ihn findet, droht dem Dorf ein schreckliches Schicksal. Ich fürchte, ich kann die Sache allein nicht in den Griff bekommen. Es besteht die Gefahr, dass die Ereignisse mich - vielleicht schon in den nächsten Stunden - überrollen. Deshalb wende ich mich rechtzeitig an dich. Wenn du es irgendwie einrichten kannst, dann komm nach Chattering. Hier wirst du dringend gebraucht.«
»Okay, Tony«, sagte ich rasch, denn mein Entschluss stand schon fest. »Ich mache mich sofort auf den Weg.«
»Das freut mich.«
»Ist doch klar, dass ich dabei bin, wenn es darum geht, Asmodina einen dicken Strich durch ihre verderbten Pläne zu machen«, sagte ich und legte auf.
***
Linda Henderson war eine emsige Frau, tüchtig, ehrlich und ordnungsliebend, klug und aufgeschlossen. Sie war vieles, nur schön war sie nicht, aber das muss eine Haushälterin nicht unbedingt sein. Sie war groß und schlank, hatte dicke Waden, ein kantiges Gesicht, unregelmäßige Zähne und eine dunkle Hornbrille auf der kleinen Nase.
Seit zehn Jahren arbeitete sie für Gilbert Gember, den Bürgermeister, führte ihm den Haushalt und half ihm manchmal sogar bei der Erledigung seiner Arbeit, wenn er irgendwelche Akten zur Bearbeitung von seinem Büro mit nach Hause brachte.
Mrs. Henderson war eine treue Seele. Sie wohnte in Gembers Haus, aber das hatte im Dorf noch niemals Anlass zu irgendwelchem Gerede gegeben. Jedermann wusste, dass Linda Henderson eine fromme, gottesfürchtige Frau war, die nach einer enttäuschten Liebe keinen Mann mehr an sich heran ließ. Außerdem war allseits bekannt, dass Mr. Gember seine Haushälterin als geschlechtsloses Wesen betrachtete. Es war zwischen den beiden noch nie etwas gewesen, und es würde zwischen ihnen nie etwas anderes sein als Achtung und Wertschätzung - und vielleicht auch ein klein wenig Freundschaft.
Mrs. Henderson saß vor dem Fernsehapparat und strickte an einem dicken Pullover, den sie dem Bürgermeister unter den Weihnachtsbaum legen wollte. Sie arbeitete nur dann daran, wenn Gilbert Gember außer Haus weilte.
Sobald sie ihn heimkommen hörte, versteckte sie ihr Strickzeug blitzschnell in einer alten Bauerntruhe, in die Gember seit zehn Jahren nicht mehr hineingesehen hatte.
Deshalb hatte er keinen blassen Schimmer, womit ihn Linda Henderson in diesem Jahr überraschen würde.
Über den TV-Schirm flimmerte eine Show, die schon einige Jährchen auf dem Magnetband hatte. Liza Minelli und Bing Crosby versprühten souverän ihren Charme, plauderten und sangen miteinander und rissen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.
Während eines Soloauftritts von Bing Crosby hörte Linda Henderson zu stricken auf, um sich dem Kunstgenuss voll hingeben zu können.
»Das war noch ein Künstler«, sagte die Haushälterin und nickte anerkennend.
»Einer der ganz Großen. Schade, dass der Herr ihn zu sich geholt hat. Wenn ich denke, was manchmal im Fernsehen auftritt und sich auch Künstler schimpft…«
Sie unterbrach ihr Selbstgespräch, denn sie hatte ein dumpfes Geräusch vernommen.
Sofort packte sie ihr Strickzeug zusammen, sprang auf und rannte zur Truhe.
Sie nahm an, Gilbert Gember würde nach Hause kommen. Es wäre jammerschade gewesen, wenn er ausgerechnet jetzt, wo der Pullover schon fast fertig war, mitgekriegt hätte, womit er überrascht werden sollte.
Linda Henderson hob den Deckel hoch und schleuderte Pullover, Wollknäuel und Stricknadeln in die alte Truhe. Vorsichtig ließ sie den Deckel niedersinken. Sorgsam darauf bedacht, kein verräterisches Geräusch zu verursachen. Anschließend entfernte sie sich mit einer aufgesetzten Unschuldsmiene sofort von der Truhe, damit
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