0258 - Der Raub der Broadway-Königin
nach Kleingeld. Als er nichts fand, griff er in die innere Rocktasche und zog eine Brieftasche heraus. Dabei verschob sich das Jackett etwas, und der Eisverkäufer sah den Griff einer Pistole, die in der Schulterhalfter steckte.
Nervös suchte er das Wechselgeld zusammen, aber er kam nicht mehr dazu, es dem merkwürdigen Kunden zu geben. Der Pockennarbige sah noch einmal zum Eingang der Geisterbahn hinüber, und seinem wachsamen Blick entging nicht, daß sich ein schlankgewachsener junger Mann durch die Menschenmenge schob. Jetzt blieb der Fremde stehen und sah herüber. Ihre Blicke begegneten sich, und der Pockennarbige ahnte eine Gefahr.
Er fuhr herum und lief los.
Nun begann auch Trescott zu laufen. Er sah, wie der Pockennarbige sich durch die Passanten schob und auf einen Selbstfahrerstand zulief. Dort tauchte er im Gewühl unter. Trescott mußte die Ellenbogen gebrauchen, um am Mann zu bleiben. Er stolperte über eine Stufe und fiel. Als er wieder hochkam, sah er den Pockennarbigen mitten auf der quadratischen Fahrbahn. Er sprang gerade auf den Gummiring eines der kleinen Wagen und versuchte, dadurch auf die andere Seite zu gelangen.
Trescott blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls zwischen die herumrasenden Fahrzeuge zu springen. Dabei riß er seine Dienstwaffe heraus.
»Aufhalten!« schrie er. »Lassen Sie den Mann nicht entkommen!«
***
Der Pockennarbige hatte die andere Seite erreicht. Ein paar beherzte Männer verstellten ihm den Weg. Er sah sich kurz nach Trescott um, der verdammt dicht herangekommen war. Mit einem knurrenden Laut riß er die Pistole le aus der Halfter und schoß einfach in die Menge. Ein Schrei, und schon war die Gasse frei. Trescott sah ihn verschwinden.
Endlich hatte er die Menschenmauer hinter sich. Der Pockennarbige stürzte gerade durch den Eingang einer Schaubude. Trescott hörte Schreie und setzte sich in Trab. Keuchend erreichte er den Eingang. Einen Mann, der sich ihm in den Weg stellen wollte, schob er einfach beiseite und stürmte ins Innere. Ein schmaler Gang nahm ihn auf, der nach drei Yard einen Knick machte. Trescott lief um die Eeke, sah kurz vor sich einen Mann im hellgrauen Anzug und hob die Pistole. Der andere machte im gleichen Augenblick dieselbe Bewegung. Trescott drückte ab. Der trockene Knall des Schusses brach sich in dem engen Gang und dröhnte in seinen Ohren. Klirrend zerbrach ein großer Spiegel. Erst jetzt sah Trescott, daß er sich in einem Spiegelkabinett befand. Als er in die Trümmer des Spiegels blickte, fiel ihm auf, daß auch er einen hellgrauen Anzug trug. Instinktiv hatte er auf den Mann im grauen Anzog geschossen und dabei nichts weiter getroffen als sein eigenes Spiegelbild.
Er spürte, wie ihm der kalte Schweiß über den Rücken lief. Gewaltsam riß er sich zusammen und folgte vorsichtig dem Gang. Wieder eine Biegung und wieder nichts als Jim Trescott in allen Variationen. Klein mit einem Riesenkopf oder lang und spindeldürr auf kurzen, dicken Beinen.
Trescott wurde nervös, aber plötzlich horchte er auf. Ein leises Wimmern war an sein Ohr gedrungen. Vorsichtig pirschte er sich an die nächste Biegung heran und blieb dann wie angewurzelt stehen.
***
Etwa acht Yard vor ihm kauerte der Pockennarbige. In der einen Hand hielt er die Pistole, mit der anderen hielt er eine Frau gepackt.
Sie lag auf den Knien, und ihr Gesicht war vor Angst verzerrt.
»Laß die Knarre fallen, Mister!«
Die Stimme des Pockennarbigen war heiser. Trescott zögerte einen Moment.
»So hören Sie doch!« schrie die Frau. »Er tötet mich sonst!«
Trescotts Gedanken arbeiteten fieberhaft. Selbst wenn er eine Chance hätte, den Burschen zu treffen, würde er dabei die Frau gefährden. Zähneknirschend ließ er die Dienstpistole fallen.
»Stoß sie mit dem Fuß her, Mister!« vernahm er wieder die heisere Stimme.
Mit der Schuhspitze gab er der Waffe einen kräftigen Schubs und sah das hämische Grinsen um den Mund des Pockennarbigen.
»Brav, Mister! Genauso habe ich mir die Sache gedacht. Lefty Hammond kann man so leicht nicht aufs Kreuz legen.« Lefty Hammond heißt er also, dachte Trescott. Scheint ein gewiegter Gangster zu sein. Das bewies allein seine Kaltschnäuzigkeit auf der Flucht. Er war nur zu eitel und hatte dadurch seinen Namen verraten. Trescott war ziemlich sicher, daß es kein falscher Name war. Er wäre zu einer Wette bereit gewesen, daß man beim Erkennungsdienst eine Identitätskarte finden würde, die über den Kerl Auskunft gab.
Der
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